Rohstoffpreise im Spannungsfeld zwischen geldpolitischer Straffung und dem Ukraine-Krieg

Die globale Inflationsdynamik in den letzten Jahren spiegelt zum großen Teil die großen Schwankungen der Rohstoffpreise wider. Diese Schwankungen wurden im Wesentlichen durch die zwei aufeinanderfolgenden Schocks ausgelöst: die COVID-19-Pandemie und den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Während die Pandemie zunächst einen Rückgang der Rohstoffpreise bewirkte, sorgten das Ende der Pandemie und der Krieg zunächst für einen rasanten Anstieg. Trotz der Stabilisierung in den letzten Monaten liegen sie zum Teil nach wie vor deutlich über dem langjährigen Durchschnitt.

Die Verhängung strikter Mobilitätsbeschränkungen im Zuge der COVID-19-Pandemie hatte zunächst einen deutlichen Rückgang der Rohstoffpreise zur Folge. In den ersten drei Monaten von 2020 sind beispielsweise die Preise für Metalle und Mineralien um 16% und diejenigen für Energie gar um das nahezu Dreifache gesunken, während die Preise für Nahrungsmittel weitgehend konstant blieben (Abbildung 1). Der rasante Einbruch vor allem der Erdölpreise war auch dadurch bedingt, dass sich die führenden Produzenten Saudi-Arabien und Russland zunächst nicht auf eine Kürzung der Lieferungen einigen konnten. Nach dem erreichten Tiefstand im April 2020 haben sich die Rohstoffpreise im Zuge der allmählichen Lockerung von COVID-19-Maßnahmen und der globalen Konjunkturbelebung wieder erholt.

Russland und die Ukraine wichtig für globale Energie- und Agrarmärkte

Der im Februar 2022 begonnene Krieg Russlands gegen die Ukraine hat den globalen Rohstoffpreisen einen weiteren Schub gegeben. Die westlichen Sanktionen gegen die führenden russischen Ölunternehmen und die Ankündigung eines für Dezember 2022 angepeilten EU-Importembargos für russisches Öl hatten zunächst einen deutlichen Anstieg der Ölpreise zur Folge. Gegen Mitte Juni 2022 kletterte etwa der Preis von Brent auf 122 $ pro Fass und lag damit um 54% höher als am Anfang des Jahres. Außerdem trieb die Kürzung von Gaslieferungen durch Russland die europäischen Gaspreise in die Höhe. Im Jahresdurchschnitt von 2022 sanken die Pipeline-Gasimporte in die EU aus Russland um 55% und betrugen gegen Jahresende nur noch ein Fünftel des Vorjahresniveaus (McWilliams, Sgaravatti und Zachmann, 2021).[1] Der Großhandelspreis für Gas in der EU erreichte Ende August 2022 mit über 300 € pro MWh seinen historischen Höchststand und war im Durchschnitt des dritten Quartals 2022 fast 3,5 mal so hoch wie vor einem Jahr (European Commission, 2023).

Auch die Preise für mehrere wichtige Agrarwaren, wie Weizen, Mais und Zucker, zogen zunächst deutlich an. Der Börsenpreis von Weizen in den USA stieg beispielsweise zwischen Anfang Jänner 2022 und Mitte Mai 2022 um 57% (auf US-Dollar-Basis). Russland und die Ukraine waren historisch gesehen wichtige Getreideproduzenten und etwa für ein Drittel der globalen Getreideexporte vor dem Krieg verantwortlich. Die landwirtschaftliche Produktion in den vom Krieg schwer betroffenen ukrainischen Gebieten hat aber stark gelitten. Zusätzlich fielen die meisten Meereshäfen des Landes, über die ein Großteil der Agrarexporte abgewickelt wurde, für mehrere Monate nahezu aus.

Ausblick mit vielen Risiken behaftet

Mittlerweile haben sich die Rohstoffpreise wieder stabilisiert bzw. sind sogar zurückgegangen(Abbildung 1). Einerseits war dafür die Abkühlung der globalen Konjunktur im Zuge der geldpolitischen Straffung ausschlaggebend, was vor allem die Entwicklung der Preise für Metalle und Mineralien beeinträchtigte. Andererseits haben dazu auch die neu verhängten Sanktionen gegen russisches Erdöl – das weitgehende Importembargo in die EU und die Einführung von Preisobergrenzen für Lieferungen in Drittländer (seit Dezember 2022 für Rohöl und seit Februar 2023 für Ölprodukte) – beigetragen. Die Erdgaspreise in Europa waren seit August 2022 ebenfalls rückläufig, was den gut gefüllten Speichern, stark gestiegenen Importen von Flüssiggas (vor allem aus den USA) sowie den relativ milden Witterungsbedingungen zu verdanken war. Insgesamt sind dadurch die globalen Energiepreise seit August 2022 um 36% zurückgegangen. Die Lebensmittelpreise waren bereits seit Mai 2022 im Sinkflug, zum Teil aufgrund der guten Ernte in vielen Teilen der Welt. Auch das Ende Juli 2022 beschlossene Schwarzmeergetreideabkommen, das es ermöglichte, einen Großteil der Getreideexporte aus der Ukraine wieder auf den Weltmarkt zu bringen, hat eine positive Rolle gespielt (UNCTAD, 2023).

Der Ausblick in puncto weitere Rohstoffpreisentwicklung ist jedoch mit vielen Risiken behaftet. Die jüngste Abkehr von der Null-COVID-Politik wird für eine höhere Nachfrage nach Rohstoffen sorgen. Die Preise für Metalle und Mineralien haben bereits darauf reagiert und sind seit dem Tiefstand im Oktober 2022 um 17% gestiegen. Auch die Ausfälle bei der Stahlproduktion in der Türkei infolge des Erdbebens trugen zum Preisanstieg bei. Der weitere Verlauf des Ukraine-Krieges und des geopolitischen Konflikts zwischen dem Westen und Russland (und auch China) bleibt ein wichtiger Risikofaktor, der sowohl die Zukunft des Schwarzmeergetreideabkommens als auch die weiteren Gaslieferungen aus Russland in die EU infrage stellen kann. Sollte es aufgrund der sehr niedrigen Importe aus Russland nicht gelingen, die europäischen Gasspeicher rechtzeitig vor dem Winter 2023/24 zu füllen, ist eine Wiederholung der Energiekrise nicht auszuschließen, was einen erneuten Anstieg der Energiepreise mit sich bringen könnte.

Referenzen

European Commission (2023), Quarterly report on European gas markets, Vol. 15, Issue 3, DG Energy, https://energy.ec.europa.eu/data-and-analysis/market-analysis_en#gas-market—recent-developments

McWilliams, B., G. Sgaravatti, G. Zachmann (2021), European natural gas imports, Bruegel Datasets, first published 29 October, https://www.bruegel.org/dataset/european-natural-gas-imports

UNCTAD (2023), A trade hope: the impact of the Black Sea Grain Initiative. March, https://unctad.org/system/files/official-document/osginf2023d3_en.pdf

Autor: Vasily Astrov (wiiw)

Vasily Astrov ist Ökonom am wiiw und Länderexperte für Russland und andere GUS-Länder. Seine Forschungsschwerpunkte sind makroökonomische Analysen und Energiefragen. Er ist außerdem Herausgeber des wiiw-Monatsberichts. Er sammelte umfassende akademische und internationale Erfahrungen im Vereinigten Königreich (University of Warwick), Deutschland (Westfälische Wilhelms Universität), Norwegen (Universität Oslo) und Russland (Universität St. Petersburg) und absolvierte ein Studium der Wirtschaftswissenschaften (M.Sc., Dipl.-Volksw.) und Geographie (B.A.).

Die Graphiken wurden von Alireza Sabouniha erstellt. Alireza Sabouniha ist Research Assistant am wiiw und absolviert derzeit sein Masterstudium in Volkswirtschaft an der WU Wien.


[1] Nach den mysteriösen Explosionen bei Nord Stream 1 (und Nord Stream 2) Ende September 2022 wurden die Lieferungen über diese Route komplett eingestellt.