FIW-Spotlight: Prognose des Warenaußenhandels 2023 und 2024

Der massive Preisauftrieb und Energiepreisschock des Vorjahres sowie ein kräftiger Abbau von Vorsichtslagern schwächen 2023 die weltweite Industrieproduktion und den Welthandel. Zusätzlich sorgen der Inflationsabstand Österreichs zu wichtigen Handelspartnern und die Aufwertung des Euro für eine Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsposition. Trotzdem expandierten die österreichischen Warenexporte im ersten Halbjahr 2023 mit 3,9% (real) kräftig und Marktanteile in wichtigen Märkten konnten ausgeweitet werden. Die Exportdynamik wird sich in der zweiten Jahreshälfte deutlich einbremsen und für das Gesamtjahr 2023 wird ein Wachstum der Warenexporte von rund 1,5% (real) erwartet. Im Jahr 2024 dürften die Exporte um 2,5% (real) zulegen. Das Handelsbilanzdefizit im Warenaußenhandel wird sich im Jahr 2023 mit -10,3 Mrd. € auf die Hälfte des Vorjahreswertes reduzieren. Dazu trägt auch die Verbesserung der Terms-of-Trade dank eines Rückgangs bei den Energiepreisen bei. Die Hauptergebnisse der Außenhandelsprognose sind in Übersicht 1 zusammenfassend dargestellt.

Globale Wirtschaftsleistung verliert an Schwung und dämpft das Wachstum österreichischer Exportmärkte

Die weltwirtschaftliche Entwicklung verlor zuletzt deutlich an Schwung (siehe Abbildung 1.1). Sie wird von einer Schwäche der globalen Industrieproduktion begleitet, die sich auch auf den weltweiten Warenhandel durchschlägt. Davon ist vor allem Deutschland betroffen. Für den wichtigsten Handelspartner Österreichs ist im Jahr 2023 mit einer Rezession zu rechnen (‑0,6%), im kommenden Jahr wird sich die Wirtschaftsleistung Deutschlands leicht erholen (+1,2%). Die Konjunktur wird in Europa zusätzlich durch eine hohe Inflation sowie steigende Zinsen infolge der restriktiven Geldpolitik belastet. Gleichzeitig nahm die Nachfrage in China nach dem Auslaufen der Öffnungseffekte im Frühjahr 2023 deutlich ab. Die weltweite Industrieproduktion und der Warenhandel sinken aber auch vor allem in Folge des Abbaus von Vorsichtslagern, die in den Jahren davor aufgrund von drohenden Lieferknappheiten sowie Lieferausfällen bei Energie aufgebaut wurden. Dämpfende Effekte gehen aber auch von der Rückverschiebung der weltweiten Konsumstruktur von einem ‑ coronabedingt ‑ verstärkten Warenkonsum zum vermehrten Dienstleistungskonsum aus.  Die Wachstumsaussichten werden sich erst mit dem fortgeschrittenen Abbau der erhöhten Lagerbestände im nächsten Jahr wieder verbessern. Zudem deuten die meisten derzeit vorliegenden Prognosen einen weiteren Rückgang der Inflation für das Jahr 2024 an. Belastend für die Weltkonjunktur dürften im kommenden Jahr 2024 die weiterhin restriktive Geldpolitik sowie die schwache Wirtschaftsentwicklung in China wirken. In den USA blieb die Konjunktur bisher stabil und vor allem vom privaten Konsum gestützt. Für das Jahr 2024 wird aber auch in den USA eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums prognostiziert, vor allem weil die Impulse aus dem privaten Konsum abklingen.

Inflationsdifferenzial zum Ausland und Aufwertung des Euro verschlechtern die preisliche Wettbewerbsposition

Unter diesen internationalen Rahmenbedingungen werden die österreichischen Exportmärkte (das „österreichische Marktwachstum“) heuer vor allem aufgrund der schwachen Importnachfrage Deutschlands und der mittel- und osteuropäischen Länder mit 0,4% schrumpfen und dürften sich im Jahr 2024 mit +3,2% erholen (Abbildung 1.3). Zusätzlich sorgen der Inflationsabstand Österreichs zu wichtigen Handelspartnern sowie die Aufwertung des Euro im Prognosezeitraum für eine Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsposition (Abbildung 1.3). Vor allem im Jahr 2023 ist der Preisanstieg gemessen am Verbraucherpreisindex deutlich höher als bei Vergleichsländern des Euro-Raums (Abbildung 2.1). Dieses Inflationsdifferenzial dürfte 2024 schrumpfen, aber weiterhin bestehen bleiben. Diesem Bild entsprechend schätzen die heimischen Industrieunternehmen ihre Wettbewerbsposition im Vergleich zu Konkurrenten in der EU aber insbesondere im Vergleich zur Konkurrenz außerhalb der EU erneut deutlich schlechter ein (Abbildung 2.4). Historische Tiefststände erreichen die Einschätzungen zur Wettbewerbsposition vor allem bei Vorleistungsgüter- und Konsumgüterbranchen, während sie in der Investitionsgüterbranche verzögert und weniger stark einbrechen. Allerdings ist ein Effekt auf die Exporte und Marktanteile Österreichs in den Daten für das erste Halbjahr 2023 noch nicht ablesbar.

Trotz widriger Umstände robuste Entwicklung der Warenexporte und Marktanteilsgewinne im ersten Halbjahr 2023

Die österreichische Exportwirtschaft erwies sich im ersten Halbjahr 2023 angesichts der negativen Einflüsse als robust und konnte sogar Marktanteile in wichtigen Märkten gewinnen. Sie ist weniger vom Nachfrageeinbruch bei Vorprodukten im Zuge des Lagerabbaus betroffen und konnte in speziellen Nischen ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten. Die Entwicklung der österreichischen Produzentenpreise im Ausland legt auch eine relativ zu den Handelspartnern moderate Überwälzung der Kostensteigerungen im Inland auf die österreichischen Exportpreise nahe, vermutlich zulasten von Unternehmensgewinnen. Der Zuwachs der Exporte von Waren erreichte laut vorläufigen Daten der Außenhandelsstatistik im ersten Halbjahr 2023 6,1% zu laufenden Preisen (nominell) und 3,9% zu konstanten Preisen (real) (Abbildung 3). Als wichtigste Wachstumstreiber erwiesen sich dabei die Ausfuhren von Investitionsgütern (Maschinen und Fahrzeuge). Die (nominelle) Marktanteilsentwicklung in der ersten Jahreshälfte 2023 zeigt Zugewinne von 10,2% gegenüber dem Vorjahreszeitraum, vor allem dank kräftiger Ausfuhren von Maschinen nach Deutschland und in die USA. Gemessen an den Exporten des Euro‑Raums stiegen die Marktanteile Österreichs um 3,4%1).

Pessimistischer Ausblick für die zweite Jahreshälfte 2023, aber mäßige Erholung im kommenden Jahr

Allerdings vermitteln Unternehmenseinschätzungen im WIFO-Konjunkturtest einen pessimistischen Ausblick für die zweite Jahreshälfte 2023 (Abbildungen 4.1, 4.2). Die Beurteilung der Exportaufträge verschlechtert sich seit der Mai‑Umfrage. Die Exporterwartungen wurden in den Sommermonaten ebenfalls deutlich zurückgeschraubt und erholten sich auch in der letzten Umfrage im Oktober kaum. Dabei hat sich vor allem die Stimmung in den Investitionsgüterbranchen eingetrübt und damit gerade in jenen Bereichen der Exportwirtschaft, die das Exportwachstum bisher getragen haben. Damit sollte sich die Exportdynamik im zweiten Halbjahr 2023 einbremsen und die Exporterfolge aus dem ersten Halbjahr deutlich schmälern. Für das Gesamtjahr 2023 ist ein Wachstum der Warenexporte von rund 1,5% (real) zu erwarten (Abbildung 5.1). Angesichts der Annahme, dass sich die internationale Konjunktur 2024 bessert, kann mit einer Erholung im Verlauf des kommenden Jahres gerechnet werden. Die Warenexporte dürften 2024 um 2,5% (real) zulegen. Allerdings wird der nunmehr verzögert einsetzende Rückgang der Investitionsgüternachfrage bis in das Jahr 2024 hineinreichen und den auf Investitionsgüter spezialisierten österreichischen Exportunternehmen kaum Raum für weitere Marktanteilsgewinne geben.

Die Warenimporte spiegeln die Schwäche der heimischen Industrieproduktion und den Abbau der Vorsichtslager bei Energie und Industrierohstoffen, die im Vorjahr aufgebaut wurden. Zudem macht sich auch der Einbruch insbesondere im Konsum sogenannter dauerhafter Konsumgüter bemerkbar2). Auch dies ist zum Teil der Normalisierung der Konsumstruktur nach der COVID-19-Krise geschuldet. Für das Jahr 2023 wird mit einem Rückgang der Einfuhren um fast 2% (real) gerechnet, 2024 dürften sich die Importe mit einem Zuwachs von 2,3% (real) wieder erholen (Abbildung 5.1). Das Handelsbilanzdefizit im Warenaußenhandel wird sich aufgrund der schwachen Importentwicklung deutlich verbessern und sich im Jahr 2023 mit ‑10,3 Mrd. € auf die Hälfte des Vorjahreswertes reduzieren (Abbildung 5.2). Wesentlich für den Außenhandel ist aber auch die Verbesserung der Terms-of-Trade, das Verhältnis der Export- zu den Importpreise. Diese hatten sich 2022 im Zuge der Rohstoff- und Energieteuerungen – insbesondere aufgrund des höheren Energieanteils bei den Importen – drastisch verschlechtert und die österreichische Handelsbilanz stark belastet. Der Rückgang der Energiepreise (vor allem bei Erdgas) im heurigen Jahr löste jedoch eine Gegenbewegung aus. Der große Preisdruck aus dem Ausland über die Rohstoffpreise wird nach derzeitiger Prognose weiter nachlassen, auch der Anstieg der Produzentenpreise der im Ausland verkauften Waren Österreichs sowie wichtiger Handelspartner in der EU hat sich weiter abgeschwächt. 2023 und 2024 verbessern sich die Terms-of-Trade damit wieder (2023 um +1,5% und 2024 um +0,5%), aber weniger deutlich, als sie sich 2022 verschlechtert hatten (-5,0%) (Abbildung 5.3). Auch mittelfristig bleiben wichtige importierte Rohstoffe wie Erdgas und Rohöl teurer.

Die Prognose geht davon aus, dass es zu keiner weiteren Eskalation des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine kommt, genügend Erdgasvorräte über den Winter aufgebaut wurden und ein vollständiger Erdgaslieferstopp Russlands nach Europa weiterhin ausgeschlossen werden kann. Diesbezügliche Risiken bleiben aber bestehen und Verknappungen könnten neuerliche Preissteigerungen auslösen und die Inflation weiter befeuern. Zusätzliche Unsicherheit und geopolitisches Risiko verbirgt sich auch im kürzlich entbrannten Nahost-Konflikt zwischen Israel und der Hamas, sofern sich der Konflikt ausbreitet und weitergehende Spannungen im Nahen Osten die Produktion und den Transport von Öl gefährden. Wird all dies nicht schlagend, könnte sich umgekehrt auch ein schnellerer Rückgang der Inflation als in der Prognose unterstellt ergeben, der den Spielraum für Leitzinssenkungen eröffnet und positive Impulse für die Weltkonjunktur bringen würde.

Autorin:

Dr. Yvonne Wolfmayr ist Senior Economist der Forschungsgruppe „Industrie-, Innovations- und internationale Ökonomie“ des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO). Von 2013 bis 2016 war sie Stellvertretende Leiterin des WIFO. Das Studium der Volkswirtschaftslehre absolvierte sie an der Universität Wien und promovierte and der Universität Innsbruck. Auslandsaufenthalte an renommierten Universitäten in den USA (University of California, Los Angeles, und Stanford University) begleiteten ihre Laufbahn seither. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der empirischen Analyse internationaler Handelsfragen, einschließlich ausländischer Direktinvestitionen. Die Erstellung der Außenhandelsprognose zählt zu ihren regelmäßigen Aktivitäten am WIFO.


  1. Die Entwicklung nomineller Marktanteilen reflektiert auch Preis- und Wechselkursveränderungen. Wird der Marktanteil im Vergleich zu Ländern des gleichen Währungsraums berechnet, wird der Wechselkurseffekt in diesem Vergleich ausgeschaltet. ↩︎
  2. Zu den dauerhaften Konsumgütern zählen z. B. Möbel, Sportgeräte, Fahrräder, Kühlschränke oder Waschmaschinen. ↩︎