In diesem Spotlight werden die Auswirkungen neuer Technologien auf die Beschäftigung von Arbeitsmigrant:innen und einheimischen Arbeitnehmer:innen in der EU analysiert. Zunächst wird das Ausmaß der Arbeitsmigration in ausgewählten EU-Mitgliedsstaaten und deren Entwicklung in den letzten Jahren dargestellt. Anschließend wird zusammengefasst, wie sich neue Technologien auf inländische und ausländische Arbeitskräfte auswirken, wobei der Schwerpunkt auf dem Einfluss von Innovationen und der Robotisierung liegt.
Technologischer Fortschritt und Beschäftigung von Migrant:innen: Eine EU-Perspektive
Die Auswirkungen des technologischen Fortschritts, wie z. B. Robotisierung und Digitalisierung, auf die Beschäftigung allgemein und der von Migrant:innen könnten die Arbeitsmarktdynamik in der Europäischen Union (EU) ändern. Der durch diese neuen Technologien herbeigeführte Wandel ist tiefgreifend, insbesondere in Branchen wie der verarbeitenden Industrie, wo die potenzielle Substitution von Arbeitnehmer:innen durch Roboter insbesondere Migrant:innen dazu veranlassen könnte, eine Alternative zu suchen. Die Analyse eines solchen Szenarios erfordert genauere Kenntnisse der spezifischen Arbeitsplätze von Migrant:innen, die von diesen Technologien betroffen sind, was in Ghodsi et al. (2024) eingehend untersucht wird.
Die Identifizierung der Arbeitsplätze von Migrant:innen, die mit der Einführung von Technologien verbunden sind, bietet Einblicke in die potenziellen Risiken und Chancen für dieses Segment der Erwerbsbevölkerung in einer zunehmend durch Automatisierung und Digitalisierung gekennzeichneten Wirtschaft. Dies ist für den EU-Arbeitsmarkt besonders wichtig, da der Anteil der Arbeitsmigrant:innen in der EU laut der EU-Arbeitskräfteerhebung (EU-AKE) von weniger als 9% im Jahr 2005 auf etwa 14% im Jahr 2019 gestiegen ist (siehe Abbildung 1).
Die Rolle von Migrant:innen in ausgewählten EU-Ländern
Abbildung 2 zeigt erhebliche Unterschiede im Anteil der ausländischen Arbeitskräfte in den einzelnen EU-Ländern, wobei Luxemburg mit 52% an der Spitze liegt. Dies ist deutlich höher als in Österreich (19%) und Schweden (18%), während die Slowakei, die Tschechische Republik und Litauen die niedrigsten Anteile aufweisen, die zwischen 1% und 4% liegen. Österreich hat damit den zweitgrößten Anteil an ausländischen Arbeitskräften in der EU, gemessen an der Gesamtzahl der Beschäftigten. Luxemburg hatte mehr ausländische Arbeitskräfte, was vor allem auf seine attraktive Lage, die hohen Löhne und die Präsenz der EU-Institutionen zurückzuführen ist, die das Land natürlich zu einem bevorzugten Ziel für qualifizierte Arbeitskräfte machen. Im Gegensatz dazu haben die baltischen Staaten und die Slowakei mit weniger als 1% die geringsten Anteile an EU-Migrant:innen. In Schweden, Deutschland, Spanien und Österreich überwiegen Nicht-EU-Arbeitskräfte mit Anteilen von bis zu 13%, wobei die Gründe häufig in geografischen und historischen Verbindungen zu Nicht-EU-Ländern liegen.
Die Verteilung der Arbeitsmigrant:innen auf Berufe und Länder von 2015 bis 2019 zeigt heterogene Beschäftigungsmuster. Wie in Abbildung 3 dokumentiert, waren ausländische Arbeitskräfte überwiegend in Dienstleistungs- und Verkaufsberufen (ISCO 5) zu finden, wobei die Anteile von über 30% in Ländern wie Griechenland und Spanien bis zu knapp über 10% in Litauen und Slowenien reichten. Das niedrigste Beschäftigungsniveau von Arbeitsmigrant:innen war in qualifizierten Sektoren der Land- und Forstwirtschaft sowie der Fischerei zu finden (ISCO 6). Eine beträchtliche Anzahl war auch in hoch qualifizierten Berufen tätig (ISCO 2), insbesondere in Luxemburg, wo der Anteil am höchsten war (46%), sowie in Litauen und Dänemark (jeweils 28%).
Was die Gesamtbeschäftigung betrifft, so waren Migrant:innen, wie aus Abbildung 4 hervorgeht, meist in Positionen mit geringer Qualifikation beschäftigt, wie z. B. im Dienstleistungsbereich und im Verkauf (ISCO 5) sowie in einfachen Berufen (ISCO 9). Während Migrant:innen in der letztgenannten Kategorie 75% der Gesamtbeschäftigten ausmachten, wies Luxemburg auch einen ungewöhnlich hohen Prozentsatz (83%) von Migrant:innen in hochqualifizierten Führungspositionen (ISCO 1) auf und lag damit weit vor den anderen Ländern.
Wie Abbildung 5 und Abbildung 6 zeigen, variiert die Verteilung der Migrant:innen auch nach deren Bildungsniveau. Während in den meisten Ländern Migrant:innen mit mittlerem Bildungsniveau vorherrschend waren, wiesen Italien, Griechenland und Spanien einen höheren Anteil an Migranten mit niedrigem Bildungsniveau auf, was mit der geografischen Nähe dieser Länder zu Ländern mit einem niedrigeren durchschnittlichen Bildungsniveau zusammenhängt. Im Gegensatz dazu wies Luxemburg einen auffallend hohen Prozentsatz (55%) an hoch gebildeten Migrant:innen auf, was auf ein Mismatch hindeutet, da dies den Anteil an hochqualifizierten Berufen übersteigt, was wiederum auf eine potenzielle Überqualifizierung hindeutet.
Die unterschiedlichen Auswirkungen der technologischen Revolution auf einheimische und zugewanderte Arbeitskräfte
Angesichts dieser Unterschiede in den Beschäftigungsmustern kann erwartet werden, dass sich die technologische Revolution auf unterschiedliche Weise auf die Beschäftigungsmöglichkeiten für einheimische und zugewanderte Arbeitnehmer:innen auswirken wird. Eine detaillierte Analyse ermöglicht eine Bewertung der potenziellen Effekte und die Identifizierung von Ungleichheiten und liefert damit Informationen für politische Entscheidungen, die darauf abzielen, negative Auswirkungen abzumildern und gleichzeitig ein integratives Wachstum zu fördern. Dies ist wichtig, da die Integration von Migrant:innen in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft vor allem eng mit ihren Beschäftigungsaussichten verbunden ist. Daher ist es für die Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit der sozialen Integration, dem wirtschaftlichen Wohlergehen und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt von entscheidender Bedeutung zu verstehen, wie sich die Einführung von Technologien auf die Beschäftigungsmuster von Migrant:innen auswirkt. In diesem Zusammenhang lassen sich die Ergebnisse von Ghodsi et al. (2024) wie folgt zusammenfassen:
Erstens weisen die Ergebnisse darauf hin, dass Innovationen die Beschäftigung von Migrant:innen eher fördern. Die Studie zeigt, dass technologische Innovationen, gemessen an der Zahl der erteilten Patente, sowohl die absolute Zahl als auch den Anteil der Wanderarbeitnehmer:innen an der Erwerbsbevölkerung tendenziell erhöhen. Dies deutet auf eine positive Korrelation zwischen neuen Technologien und Beschäftigungsmöglichkeiten für Migrant:innen hin.
Zweitens zeigen die Ergebnisse, dass Roboter Beschäftigung substituieren, allerdings weniger für Migrant:innen. Die Einführung von Robotern führt zwar zu einer Verlagerung von Arbeitsplätzen, aber die Auswirkungen sind bei einheimischen Arbeitnehmer:innen ausgeprägter als bei Arbeitsmigrant:innen. Dies führt zu einem relativen Anstieg des Anteils von Wanderarbeitnehmer:innen, was darauf hindeutet, dass Arbeitsplätze und Aufgaben von ausländischen Arbeitskräften weniger anfällig für automatisierungsbedingte Verdrängungen sein könnten.
Drittens zeigt die Digitalisierung unterschiedliche Auswirkungen. Die Übernahme digitaler Güter zeigt heterogene Auswirkungen auf die Beschäftigung von Migrant:innen; während einige digitale Technologien die Beschäftigung von Migrant:innen positiv beeinflussen, haben andere keine signifikanten Auswirkungen.
Die Untersuchung zeigt die unterschiedlichen Auswirkungen des technologischen Wandels auf die Beschäftigung von Migrant:innen auf und liefert Grundlagen für politische Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftlichen Integration und des sozialen Zusammenhalts. Um die Entwicklung von Qualifikationen zu unterstützen, müssen die politischen Entscheidungsträger:innen das lebenslange Lernen und die Verbesserung der Qualifikationen sowohl bei einheimischen als auch bei zugewanderten Arbeitnehmer:innen fördern und so ihre Fähigkeit zur Anpassung an den technologischen Wandel verbessern. Die Unterstützung muss auf die Gruppen ausgerichtet werden, die am stärksten von den Auswirkungen der Automatisierung und Digitalisierung betroffen sind, insbesondere in den am stärksten betroffenen Sektoren und Berufen. Umschulung und Höherqualifizierung sind ebenfalls erforderlich, um sowohl einheimischen als auch zugewanderten Arbeitnehmer:innen zu helfen, neue Technologien zu übernehmen.
Autoren:
Mahdi Ghodsi ist Wirtschaftswissenschaftler am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche, Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien und Senior Fellow und Leiter des Bereichs Wirtschaft am Center for Middle East and Global Order.
Robert Stehrer ist wissenschaftlicher Leiter am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw).
Die Grafiken wurden von Alireza Sabouniha erstellt. Alireza Sabouniha ist Research Assistant am wiiw und hat kürzlich sein Masterstudium in Volkswirtschaft an der WU Wien abgeschlossen.