Der US-Präsidentschaftskandidat hat für den Fall seiner Wiederwahl massive Zollerhöhungen auf US-Importe allgemein und gegen China im Besonderen angekündigt. Solche Maßnahmen würden das globale Handelssystem weiter destabilisieren und hätten auch unmittelbare negative Auswirkungen auf die Einkommen in den jeweiligen Exportmärkten wie der EU oder China. Noch stärker wären die Folgen jedoch für die USA selbst, wie unsere Berechnungen anhand eines multisektoralen Gleichgewichtsmodells zeigen.
Einleitung
So unvorhersehbar der Ausgang der US-Präsidentschaftswahl am 5. November ist, so ungewiss sind auch die möglichen Folgen für die internationale Wirtschaftspolitik und das globale Handelssystem. Letztere hängen allerdings nicht allein davon ab, ob Kamala Harris oder Donald Trump gewinnt, sondern auch von den neuen Mehrheiten im US-Kongress sowie den dort handelnden Personen. Harris und Trump verfolgen teilweise ähnliche Ziele, wie z. B. den Schutz der heimischen Industrie, die Sicherung von Arbeitsplätzen, die Rückverlagerung verlorener Branchen in die USA, die Wahrung der technologischen Führungsrolle der USA und die Verringerung der Abhängigkeit von internationalen Lieferketten. Trotzdem unterscheiden sich die Ansätze von Harris und Trump erheblich in Bezug auf die Radikalität der geplanten Maßnahmen, die Geschwindigkeit, mit der diese umgesetzt werden würden, sowie in der Art der geplanten Umsetzung. Ein wesentlicher inhaltlicher Unterschied betrifft die Klima- und Umweltpolitik, bei der wohl nur von Harris konstruktive Ansätze zu erwarten sind (für Details siehe Stehrer 2024).
Die angekündigten Zollerhöhungen
Eine der wichtigsten Drohkulissen Donald Trumps sind die angekündigten Zollerhöhungen auf 10 % für alle US-Importe und eventuell auf 60 % (oder sogar mehr) für Importe aus China – wobei Trump in seinen Wahlkampfveranstaltungen auch noch höhere Zölle in den Raum gestellt hat. Um die Auswirkungen solcher Zollerhöhungen abschätzen zu können, ist es zunächst notwendig, die aktuellen Zolltarife zu kennen (siehe Abbildung 1 zu den durchschnittlichen Zollsätzen). Die EU erhebt gegenüber den USA und China Zölle von 5,2 %; die USA erheben gegenüber der EU27 Zölle von 3,5 % bzw. gegenüber China durchschnittlich Zölle von 3,6 %. China verlangt im Durchschnitt höhere Zölle von 7,5 (gegenüber der EU) bzw. 7,6 % (gegenüber den USA). Der angekündigte Anstieg der US-Importzölle auf 10 % unter Trump würde somit etwa eine Verdreifachung bedeuten.
Auswirkungen der Zölle in einem Gleichgewichtsmodell
Die Auswirkungen solcher Zollerhöhungen können mithilfe von Handelsmodellen (wie z. B. allgemeinen Gleichgewichtsmodellen) abgeschätzt werden. Berechnungen auf Basis des Modells nach dem Ansatz von Caliendo und Parro 2015 (für Details siehe Mendoza et al. 2024) zeigen, dass bei einem Anstieg der US-Importzölle auf mindestens 10 % – sofern höhere Zölle auf dem ursprünglichen Niveau bleiben – das Gesamteinkommen in den USA, einschließlich der Zolleinnahmen, um 0,08 % steigen würde. Allerdings würden die Realeinkommen, die diese Zolleinnahmen nicht berücksichtigen, um etwa 0,14 % sinken – vor allem, weil die Importe teurer werden. Die Einkommen in China würden um etwa 0,02 % zurückgehen, während die EU-Länder mit einem Rückgang von 0,05 % etwas stärker betroffen wären. Bei einer weiteren Erhöhung der Zölle auf 60 % für Importe aus China würde das US-Einkommen (inklusive Zolleinnahmen) zwar um 0,12 % steigen; jedoch würden die Realeinkommen noch stärker um 0,33 % sinken. In China wären in diesem Szenario die Einkommensverluste mit 0,15 % etwas höher. Für die EU27 würde der Einkommensrückgang ungefähr gleich stark wie vorher ausfallen. Insgesamt würde das globale Handelsvolumen durch die geplanten Zollmaßnahmen leicht sinken.
Schlussfolgerungen
Unsere Schätzungen zeigen, dass die angekündigten Zollerhöhungen auf US-Importe die Realeinkommen in den USA selbst am stärksten treffen würden (ähnlich argumentieren Clausing und Lovely (2024) sowie Baldwin (2024)). Die geplanten Zollerhöhungen hätten auch (relativ) geringe negative Auswirkungen auf die Einkommen der US-Handelspartner.
Insgesamt ist zu betonen, dass unsere Berechnungen unter der Vollbeschäftigungsannahme gelöst wurden und keine weiteren Faktoren berücksichtigen. Relevante Faktoren wären etwa Vergeltungsmaßnahmen und somit Zollerhöhungen anderer Länder gegen US-Importe – oder weitere negative Wachstumseffekte aufgrund von Unsicherheiten und einem Rückgang der globalen Handelsströme. Solche Entwicklungen hätten nochmals stärkere, negative Gesamtauswirkungen zur Folge.
Obwohl die angekündigten Zollerhöhungen insgesamt überschaubare Effekte auf die Einkommen und den globalen Handel hätten, ist davon auszugeben, dass solche unilateralen Maßnahmen unter einer Präsidentschaft von Trump das internationale Handelssystem weiter destabilisieren würden.
Referenzen
Baldwin, R. (2024), Will Trump’s tariffs on China harm US manufacturing?, Factful Friday (via LinkedIn).
Caliendo, L. and F. Parro (2015), Estimates of the Trade and Welfare Effects of NAFTA, Review of Economic Studies, 82(1): 1–44.
Clausing, K.A. and M.E. Lovely (2024), Why Trump’s Tariff Proposals Would Harm Working Americans, PIIE Policy Brief, May 2024.
Mendoza, J., O. Reiter and R. Stehrer (2024), EU Carbon Border Tax: General Equilibrium Effects on Income and Emissions, wiiw Working Paper, forthcoming.
Stehrer, R. (2024), Mögliche Auswirkungen der US-Präsidentschaftswahl auf den Welthandel, FIW Jahresgutachten – Update 2024, Kapitel 2. Abrufbar unter: https://www.fiw.ac.at/publications/fiw-jahresgutachten-update-oktober-2024
Autoren:
Robert Stehrer ist wissenschaftlicher Leiter am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Seine Expertise deckt ein breites Feld der Wirtschaftsforschung ab, das von Fragen der internationalen Integration, des Handels und der technologischen Entwicklung bis hin zu Arbeitsmärkten und angewandter Ökonometrie reicht. Seine jüngsten Arbeiten konzentrieren sich auf die Analyse und die Auswirkungen der Internationalisierung der Produktion und des Wertschöpfungshandels. Weitere Beiträge beziehen sich auf den Zusammenhang von Digitalisierung, Demographie, Produktivität und Arbeitsmärkte. Er studierte Volkswirtschaft an der Johannes Kepler Universität und Soziologie am Institut für Höhere Studien (IHS) und ist Lektor für Wirtschaftswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU Wien) und der Technischen Universität Wien (TU Wien).
Oliver Reiter ist Ökonom und Data Scientist am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Seine Forschungsschwerpunkte sind internationaler Handel, nicht-tarifäre Maßnahmen im Handel, die Erstellung/Aktualisierung einer multiregionalen Input-Output-Datenbank (wie WIOD) und agentenbasierte makroökonomische Modelle. Er hat einen Bachelor- und einen Master-Abschluss in Volkswirtschaft, einen Bachelor-Abschluss in Statistik und einen Master-Abschluss in Informatik, alle von der Universität Wien. Er ist zurzeit Doktorand an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Die Grafiken wurden von Alireza Sabouniha erstellt. Alireza Sabouniha ist Research Assistant am wiiw und PhD-Kandidat an der Leopold-Franzens Universität Innsbruck.