EU-Freihandelsabkommen mit Australien und Neuseeland würden Österreichs BIP um 142,8 Mio. € erhöhen

Vor allem der Sektor Maschinen und Ausrüstungen könnte von erleichtertem Marktzugang profitieren

Die beiden EU‑Handelsabkommen mit Neuseeland und Australien könnten laut Modellberechnungen einer aktuellen FIW‑Studie des WIFO sowohl die Wohlfahrt, gemessen in Veränderungen des realen BIP, wie auch den Gesamthandel und die bilateralen Handelsverflechtungen der EU‑Mitgliedstaaten moderat steigern, wobei die Höhe der Effekte mit dem Umfang der Handelsliberalisierung zunimmt. In einem Szenario tiefer EU‑Freihandelsabkommen mit Neuseeland und Australien steigt die Wohlfahrt in Neuseeland und Australien um 0,551% bzw. 0,527%, in Österreich bzw. der EU erhöht sich das reale BIP langfristig um 0,037% (142,8 Mio. €) bzw. 0,049% (6,8 Mrd. €). Besonders Österreich könnte von einem erleichterten Marktzugang im Sektor Maschinen und Ausrüstungen profitieren.

Ohne Agrarliberalisierung fallen die Wohlfahrtsgewinne jedoch geringer aus, wobei vor allem große Agrarexporteure in der EU tendenziell nachteilig betroffen sind. Folglich entgehen der EU bei einem Abschluss von Freihandelsabkommen ohne eine Liberalisierung im Agrarbereich potenzielle Wohlfahrtsgewinne durch einen größeren Marktzugang, größere Netzwerkeffekte und stärkere Effizienzsteigerungen im Agrarsektor selbst und in verwandten Bereichen.

Angesichts wachsender geopolitischer Spannungen und einer zunehmend protektionistischen Weltwirtschaft hat die EU ihre Handelspolitik neu ausgerichtet. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Freihandelsabkommen der EU mit Australien und Neuseeland. Die vorliegende Studie von Elisabeth Christen und Hendrik Mahlkow zeigt, dass diese Abkommen nicht nur wirtschaftliche Vorteile eröffnen, sondern auch wichtige geopolitische und strategische Ziele der EU unterstützen können. Die Ergebnisse unterstreichen den Beitrag dieser Handelsvereinbarungen, um die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz der EU‑Wirtschaft zu stärken und die geopolitische Position der EU im indo‑pazifischen Raum auszubauen.

„Die Freihandelsabkommen mit Australien und Neuseeland stellen nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein geopolitisches Instrument dar, um die EU in einer zunehmend multipolaren Weltwirtschaft zu positionieren“, so WIFO‑Ökonomin Elisabeth Christen. Sie festigen die Position der EU in globalen Handelsnetzwerken, tragen zur Diversifizierung der Rohstoffversorgung bei, fördern die Verbreitung von europäischen Standards und stärken die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz der europäischen Wirtschaft.

Neben den ökonomischen Vorteilen beleuchtet die Studie auch die geopolitischen Implikationen der Freihandelsabkommen. „Wenngleich die wirtschaftlichen Effekte dieser Freihandelsabkommen marginal erscheinen, könnte die EU durch den Abschluss des Freihandelsabkommens mit Neuseeland sowie die Wiederaufnahme der fortgeschrittenen Verhandlungen mit Australien ihre Abhängigkeit von China verringern, die Handelsbeziehungen mit demokratischen Partnern vertiefen und gemeinsame Handelsregeln durchsetzen“, so WIFO‑Ökonom Hendrick Mahlkow.

„Für Österreich, als exportorientierte Volkswirtschaft, sind diese Abkommen von besonderer Bedeutung, da sie den Zugang zu internationalen Märkten sichern und damit wirtschaftliches Wachstum sowie Beschäftigung fördern. Die EU sollte daher die Verhandlungen mit Australien fortsetzen und die geopolitischen Chancen dieser beiden Partnerschaften im indo‑pazifischen Raum voll ausschöpfen, um ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit und strategische Autonomie zu stärken. Dies ist vor allem im Kontext der zunehmenden wirtschaftlichen Vormachtstellung Chinas – unter anderem durch das Regional Comprehensive Economic Partnership‑Abkommen – in dieser Region für die EU von Bedeutung“, so Christen.

„Besonders für die Sicherstellung des Zugangs zu strategischen und kritischen Rohstoffen, die für die grüne Transformation der EU von zentraler Bedeutung sind, wie Lithium und Kobalt, spielen Australien und Neuseeland eine Schlüsselrolle. Diese strategischen Partnerschaften über Rohstoffabkommen hinaus stärken die Resilienz der EU gegenüber geopolitischen Unsicherheiten und sichern die Versorgung mit wichtigen Rohstoffen“, so Christen.

Die Verhandlungen mit Australien zeigen jedoch auch die Herausforderungen der neuen EU‑Handelspolitik, in der nicht‑handelsspezifische Ziele zunehmend in den Fokus von Handelsabkommen rücken, vor allem im Hinblick auf das strategische Interesse Handelsverflechtungen zu diversifizieren und die Versorgungssicherheit bei (kritischen) Rohstoffen abzusichern. Eine Einigung wird durch komplexe Interessenslagen, wie den Zugang zum europäischen Agrarmarkt im Austausch für den Zugang zu australischen Rohstoffmärkten, erschwert. Wenngleich die wirtschaftlichen Vorteile eines Freihandelsabkommens überwiegen, bergen die Interessenskonflikte bei diesen strategischen Verhandlungspositionen das Risiko den erfolgreichen Abschluss aufs Spiel zu setzen.


Über die Studie:

Die Studie wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) in Auftrag gegeben und verwendet das KITE-Modell, ein allgemeines Gleichgewichtsmodell der Weltwirtschaft, zur quantitativen Bewertung der Auswirkungen der Freihandelsabkommen auf die EU, Österreich, Neuseeland und Australien.

Kontakt:

Mag. Elisabeth Christen, PhD

Dr. Hendrik Mahlkow, MSc