Österreichs Handelsaktivitäten aus Wertschöpfungsperspektive

Österreichs Exporte sind in hohem Maße von ausländischen Vorleistungen abhängig. Diese machten im Jahr 2021 etwa 40% des Wertes der Bruttoexporte aus (wobei der Anteil in vielen Branchen noch höher war). Bezieht man die Vorleistungsimporte mit ein, so machen die Exporte rund 30% des österreichischen BIP aus; auch die Dienstleistungen tragen über interindustrielle Verflechtungen erheblich dazu bei.

Wie viel tragen die österreichischen Exporte zum österreichischen BIP bei? Diese Frage ist wichtig, da für kleine offene Volkswirtschaften wie Österreich die Auslandsmärkte für Produkte „Made in Austria“ wichtig sind. Um diese Frage zu beantworten, muss man die Tatsache berücksichtigen, dass viele der in Österreich produzierten Güter direkt und indirekt aus dem Ausland importierte Vorprodukte, wie Rohstoffe und Energie, Halbfertigprodukte oder High-Tech-Komponenten wie Computerchips, beinhalten. „Multi-Country Input-Output Tables“ (MC IOTs) ermöglichen es, solche Indikatoren und den Beitrag der Exporte unter Berücksichtigung der Importe zum österreichischen BIP zu berechnen. In diesem Bericht werden einige ausgewählte Muster und Trends aus einer solchen „Wertschöpfungsperspektive“ des Handels beleuchtet. Dies ermöglicht erstens die Berücksichtigung von Verflechtungen zwischen den Ländern und zwischen den Branchen. Zweitens ermöglicht die Verwendung solcher Daten auch die gleichzeitige Betrachtung der Rolle von Dienstleistungen und ihres Beitrags zur Produktion von Exporten.

Der Importanteil der Ausfuhren

Die erste Frage ist, inwieweit die Produktion von Ausfuhren auf Zwischenimporte – in Form der im Ausland generierten Wertschöpfung – angewiesen ist. Dies wird in Abbildung 1 dargestellt, die den sogenannten „Importanteil der Exporte“ auf Basis der von Eurostat/JRC veröffentlichten FIGARO-Daten von 2010 bis 2021 (das letzte verfügbare Jahr) zeigt (für weitere technische Details und einen Überblick über die Indikatoren siehe Stehrer, 2022). Während im Jahr 2010 der Anteil der ausländischen Wertschöpfung an den gesamten österreichischen Bruttoexporten (einschließlich aller Wirtschaftszweige) bei rund 36% lag, ist dieser Wert bis 2021 auf über 40% gestiegen. Hinter diesen Zahlen verbergen sich jedoch große Unterschiede zwischen den Branchen. Abbildung 2 zeigt daher den ausländischen Importanteil an den Bruttoexporten der einzelnen Branchen für die Jahre 2010 und 2021. Diese direkte und indirekte Abhängigkeit von Einfuhren ist im verarbeitenden Gewerbe am höchsten, mit fast 73% in C19 (Kokerei und Mineralölverarbeitung) und 65% in C29 (Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen). In acht Branchen liegt der Anteil bei über 50%.

Österreichs Wertschöpfungsexporte

Angesichts dieser (teilweise) starken Importabhängigkeit der Exporte stellt sich die zweite Frage nach dem Anteil der Exporte am BIP eines Landes. Anders ausgedrückt: Wie viel der in Österreich produzierten Wertschöpfung wird durch den Endverbrauch im Ausland absorbiert? Die Antwort – wie in Abbildung 3 dargestellt – ist, dass Österreichs Wertschöpfungsexporte etwa 30% der gesamten österreichischen Wertschöpfung ausmachen. Dies ist niedriger als das übliche Maß für die Offenheit eines Landes, das als Anteil der Bruttoexporte an der Gesamtwertschöpfung definiert ist und bei über 50% liegt. Der Unterschied ist auf die importierten Vorleistungen zurückzuführen, die für die Produktion der Exporte eines Landes benötigt werden.[1]

Diese Wertschöpfungsperspektive des Handels führt auch zu einer alternativen Sichtweise hinsichtlich der relativen Bedeutung von Branchen für Österreichs Exporte. Insbesondere tragen einige Dienstleistungsbranchen aufgrund starker interindustrieller Verflechtungen wesentlich zu Österreichs Wertschöpfungsexporten bei. In Abbildung 4 wird der Anteil der einzelnen Branchen an den österreichischen Bruttoexporten mit ihrem Anteil an den österreichischen Wertschöpfungsexporten im Jahr 2021 verglichen. So trägt beispielsweise die Branche G46 (Großhandel, ohne Handel mit Kraftfahrzeugen) mehr als 10% zu den österreichischen Wertschöpfungsexporten bei, während der Anteil an den Bruttoexporten mit rund 7% deutlich geringer ist. Ähnliche Muster (der Beitrag zu den Wertschöpfungsexporten ist größer als der Beitrag zu den Bruttoexporten) findet man in Branchen wie M69_70 (Rechts- und Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung), K64 (Erbringung von Finanzdienstleistungen, außer Versicherungen und Pensionskassen) und H49 und H52 (Verkehrswesen), um nur einige zu nennen. Diese Unternehmensdienstleistungen sind daher für die Produktion der Ausfuhren anderer Wirtschaftszweige, die auf ihre Vorleistungen angewiesen sind, von großer Bedeutung.

Umgekehrt trägt C28 (Maschinen- und Anlagenbau n.e.c.) zwar mehr als 10% zu den österreichischen Bruttoexporten bei, sein Anteil an den Wertschöpfungsexporten liegt jedoch bei 6,3%, da er auch auf die Wertschöpfung in anderen Branchen (und auf ausländische Vorleistungen, wie oben beschrieben) angewiesen ist. Dies gilt auch für andere (meist verarbeitende) Branchen wie C10T12 (Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln), C24 (Metallerzeugung und -bearbeitung), C29 (Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen) oder C20 (Herstellung von chemischen Erzeugnissen).

Abschließende Bemerkungen

In dieser Spotlight haben wir einige wichtige Aspekte hervorgehoben, wenn wir Österreichs Handelsmuster aus der Perspektive der Wertschöpfung betrachten. Dies ermöglicht uns erstens, die Bedeutung importierter Vorleistungen für die Produktion von Bruttoexporten zu berücksichtigen. Zweitens zeigt sich, dass bei Berücksichtigung dieser Vorleistungsimporte der Anteil der Wertschöpfungsexporte am BIP bei etwa 30% liegt – niedriger als das übliche Maß für Offenheit, das als Bruttoexporte im Verhältnis zum BIP definiert ist. Drittens schließlich erlaubt uns diese Perspektive, die wichtige Rolle der (Unternehmens-)Dienstleistungen und die Art und Weise, in der diese zur Produktion von Exporten anderer Branchen beitragen, zu berücksichtigen.


[1] Wir lassen einige subtile Unterschiede zwischen diesen beiden Maßen außer Acht (z. B. die Berücksichtigung von Re-Importen der Wertschöpfung usw.). Außerdem kann das Offenheitsmaß aufgrund unterschiedlicher Datenquellen variieren.

Autor:

Robert Stehrer ist wissenschaftlicher Leiter am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Seine Expertise deckt ein breites Feld der Wirtschaftsforschung ab, das von Fragen der internationalen Integration, des Handels und der technologischen Entwicklung bis hin zu Arbeitsmärkten und angewandter Ökonometrie reicht. Seine jüngsten Arbeiten konzentrieren sich auf die Analyse und die Auswirkungen der Internationalisierung der Produktion und des Wertschöpfungshandels. Weitere Beiträge beziehen sich auf den Zusammenhang von Digitalisierung, Demographie, Produktivität und Arbeitsmärkte. Er studierte Volkswirtschaft an der Johannes Kepler Universität und Soziologie am Institut für Höhere Studien (IHS) und ist Lektor für Wirtschaftswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU Wien) und der Technischen Universität Wien (TU Wien).

Die Grafiken wurden von Alireza Sabouniha erstellt. Alireza Sabouniha ist Research Assistant am wiiw und hat kürzlich sein Masterstudium in Volkswirtschaft an der WU Wien abgeschlossen.