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Call for Proposals – Studie zur Analyse der Effekte der EU-Handelsabkommen mit Australien und Neuseeland

Die Abteilung V/7 „Handels- sowie wettbewerbspolitische Analysen und Strategien“ des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft lädt zur Einsendung von Proposals für eine Studie ein:

Studienthema: Analyse der Effekte der EU-Handelsabkommen mit Australien und Neuseeland

Deadline für Einreichungen: 29. Oktober 2023

Kontakt: POST.V7_22@bmaw.gv.at

Beilage 1: Terms of Reference – Analyse der Effekte der EU-Handelsabkommen mit Australien und Neuseeland

Beilage 2: Allgemeine Vertragsbedingungen für Werkverträge des BMAW

Für inhaltliche Fragen zu dieser Studienausschreibung wenden Sie sich bitte direkt an die angegebene Kontaktadresse des BMAW.

Volkswirtschaftliche Kosten der Russland-Sanktionen

Im Fokus dieses FIW-Spotlights steht die Wirkung von Sanktionen auf den Handel der Europäischen Union (EU) und Österreichs mit Russland. Die Verhängung von Sanktionen hat zu einem erheblichen Einbruch im Handel geführt, mit einem Rückgang der EU-Exporte nach Russland um 40% und der österreichischen Exporte um 19%. Bemerkenswert ist, dass Russland die wirtschaftlichen Kosten dieser Sanktionen trägt, wie durch einen signifikanten BIP-Verlust von dauerhaft 7,9% verdeutlicht wird. Diese Analyse zeigt die tiefgreifenden Auswirkungen von Sanktionen auf die internationalen Handelsbeziehungen sowie die wirtschaftlichen Einbußen des sanktionierten Landes, in diesem Fall Russland.

Der Überfall auf die Ukraine durch Russland im Februar 2022 hat weltweit zu einer Welle der Empörung geführt und eine komplexe Reaktion von Sanktionen und Gegensanktionen ausgelöst. Diese politischen Maßnahmen haben nicht nur direkte Auswirkungen auf die beteiligten Nationen, sondern senden auch Schockwellen durch die globale Wirtschaft, die weit über die unmittelbar betroffenen Länder hinausreichen. In einer Zeit, in der die Weltwirtschaft noch mit den Nachwirkungen der COVID-19-Pandemie kämpft, ist das Verständnis der ökonomischen Kosten dieser Sanktionen von entscheidender Bedeutung.

Zu Beginn des Konflikts wurden zeitnah Studien veröffentlicht, die die wirtschaftlichen Kosten möglicher Sanktionen und Handelsstopps analysierten (Bachmann et al., 2022; Balma et al., 2022). Damals war es jedoch noch nicht möglich, den genauen Einfluss dieser Maßnahmen auf den Handel zu messen. Die Autor:innen konnten nur Annahmen zugrunde legen und Modelle erstellen. Siebzehn Monate später ist es nun möglich, die Veränderungen im Handelsvolumen zu messen und somit eine präzise Analyse der Kosten dieser Maßnahmen zu erstellen. Zunächst wirft der Autor einen Blick auf die Auswirkungen der Sanktionen auf den Handel, bevor in einem hypothetischen Szenario die makroökonomischen Folgen genauer untersucht werden.

Der Handel bricht ein

Die ergriffenen Sanktionen haben den Handel mit Russland erheblich beeinflusst. Die Exporte der EU nach Russland sind mit dem Inkrafttreten der ersten Sanktionspakete im Mai 2022 um über 60% eingebrochen. Anschließend haben sich die Exporte etwas erholt. Dennoch lagen sie im Januar 2023 noch immer 40% unterhalb des mehrjährigen Mittels. Diese aggregierten Zahlen auf EU-Ebene geben keinen Aufschluss über die Unterschiede in der Handelsdepression zwischen den Mitgliedsländern (siehe Grafik 1). Von den größten Mitgliedsländern gingen die Exporte von Frankreich und Deutschland nach Russland am stärksten zurück. Die deutschen Exporte lagen im Januar um 59%, die französischen um 48% unter dem langjährigen Durchschnitt.  Weniger stark betroffen ist der Handel Österreichs mit Russland. Österreichische Exporte sanken zunächst um 41% im Mai 2022. Anschließend erholten sie sich wieder und erreichten im Juli 2022 sogar ein Plus von 2%. Dennoch haben die Sanktionen auch für Österreich negative Auswirkungen auf den Handel. Im Januar 2023 lagen die Exporte noch 19% unterhalb des mehrjährigen Mittels. Die unterschiedlichen Handelseffekte zwischen den Mitgliedsländern zeigen, dass die Länder ganz verschiedene Güter mit Russland handeln. Dabei sind in jedem „Warenkorb“ unterschiedliche Anteile von sanktionierten Gütern und Dienstleistungen enthalten. So enthält der österreichische Export-Mix überdurchschnittlich viele nicht sanktionierte Warengruppen, wie z.B. Lebensmittel und pharmazeutische Produkte, wodurch der geringe Rückgang erklärt wird.

Um die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Sanktionen zu berechnen, müssen die verschiedenen „Warenkörbe“ der Länder im Handel mit Russland berücksichtigt werden. Dazu berechnet der Autor zunächst den Sanktionseffekt auf der Ebene verschiedener Produktgruppen mit der sogenannten „Gravitationsgleichung“ aus der internationalen Handelsliteratur (Head und Mayer, 2014). Anschließend verwendet der Autor diese Sanktionseffekte in einem Modell des internationalen Handels (Felbermayr et al., 2023). Hiermit kann der Autor das folgende „Was-wäre-wenn“-Szenario untersuchen: Wie würde die Welt aussehen, wenn es nur die Russlandsanktionen gibt, aber alle weiteren wirtschaftlichen Einflussfaktoren konstant gehalten werden? Da alle weiteren Einflussfaktoren ausgeschlossen werden – zum Beispiel andere Krisen oder politische Maßnahmen im letzten Jahr – kann der „pure“ Effekt der Sanktionen untersucht werden.

Russland ist der große Verlierer

Die Berechnungen zeigen, dass Russland eindeutig die Kosten der Sanktionen trägt (siehe Grafik 2). Das russische BIP sinkt durch die Sanktionen des Westens und russischer Gegensanktionen langfristig um 7,9%. Das heißt, allein die Sanktionen senken das Niveau der russischen Wirtschaft dauerhaft. Anders ausgedrückt: Ohne die Sanktionen wäre die russische Gesellschaft 7,9% „reicher“. Der Effekt bleibt auch dann bestehen, wenn die russische Wirtschaft in Zukunft wieder real wachsen sollte.

Im Gegensatz dazu fällt das BIP in der EU lediglich um 0,21%. Das entspricht einer Summe von 33 Mrd. Euro. Von den großen Mitgliedsländern ist Deutschland am stärksten betroffen. Das deutsche BIP sinkt um 0,26%. Das liegt vor allem an der Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland. In Österreich sinkt das BIP um 0,2% und ist damit leicht unterhalb des EU Durchschnitts.

Österreichische Exporte sinken um 1,7%. Am stärksten sind pharmazeutische Produkte (-9,5%) und der Sonstige Fahrzeugbau (-8,6%) betroffen. Maschinen und Geräte (-4%) und Elektronisches Equipment (-2,2%) sind weitere exportstarke Sektoren, die negativ betroffen sind (siehe Grafik 3). Einige Sektoren profitieren allerdings auch von den Sanktionen. Wenig überraschend steigen die Exporte von Petroleum (11,9%) deutlich an. Österreich kann hier einen Teil der weggebrochenen russischen Exporte übernehmen. Die Herstellung von Petroleum bezieht sich auf die Verarbeitung von Rohöl. Österreich produziert kein Öl, sondern verarbeitet mehr importiertes Öl als vor den Sanktionen, als auch Petroleum direkt aus Russland in die EU importiert wurde. Weitere Sektoren, die von den Sanktionen profitieren, sind die Herstellung und das Gießen von Metallen und der Bergbau von Metallerzen, deren Exporte jeweils um 1,6% steigen.

Die Analyse der Russland-Sanktionen unterstreicht die komplexen und weitreichenden Auswirkungen politischer Maßnahmen auf die globale Wirtschaft. Während die Sanktionen Russland erheblich treffen, mit einem langfristigen BIP-Verlust von 7,9%, sind die Auswirkungen auf die EU insgesamt geringer, aber dennoch spürbar. Die österreichische Wirtschaft kann einen Teil der sanktionierten Handelsflüsse des Westens mit Russland übernehmen. Es reicht allerdings nicht aus, um die volkswirtschaftlichen Kosten für Österreich auszugleichen.

Autor:

Hendrik Mahlkow ist seit 2023 als Ökonom in der Forschungsgruppe „Industrie-, Innovations- und internationale Ökonomie“ am WIFO tätig. Er ist ein quantitativ arbeitender Außenhandelsökonom, der vor allem an umweltökonomischen und geopolitischen Fragestellungen interessiert es. Mit Hilfe großer empirisch geeichter Simulationsmodellen berechnet er sogenannte kontrafaktische Szenarien: „Was-Wenn-Überlegungen“, die erlauben, geplante Politikmaßnahmen zu evaluieren, oder bereits umgesetzte Maßnahmen ex post zu überprüfen. Er promoviert an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel in „Quantitative Economics“. Zuletzt verbrachte er ein Forschungssemester an der Universität von Kalifornien in Berkeley.

References:

  1. Bachmann, Ruediger, David Baqaee, Christian Bayer, Moritz Kuhn, Andreas Löschel, Benjamin Moll, Andreas Peichl, Karen Pittel, and Moritz Schularick, „What if? The economic effects for Germany of a stop of energy imports from Russia,“ Technical Report, ECONtribute Policy Brief 2022.
  2. Balma, Lacina, Tobias Heidland, Sebastian Jävervall, Hendrik Mahlkow, Adamon N Mukasa, and Andinet Woldemichael, „Long-run impacts of the conflict in Ukraine on food security in Africa,“ Technical Report, Kiel Policy Brief 2022.
  3. Felbermayr, Gabriel, Hendrik Mahlkow, and Alexander Sandkamp, „Cutting through the value chain: The long-run effects of decoupling the East from the West,“ Empirica, 2023, 50 (1), 75–108.
  4. Head, Keith and Thierry Mayer, „Gravity equations: Workhorse, toolkit, and cookbook,“ in „Handbook of international economics,“ Vol. 4, Elsevier, 2014, pp. 131–195.

Foto von Viktor Hesse auf Unsplash

Frauen in der österreichischen Außenwirtschaft

Frauen in exportorientierten Unternehmen

Trotz der verfassungsmäßigen Absicherung der Gleichstellung von Frauen und Männern und des Konsensus, diese zu erreichen, bestehen in Österreich nach wie vor große Unterschiede in soziökonomischen Merkmalen. Diese betreffen etwa die Erwerbsbeteiligung als auch die Höhe von Löhnen und Gehälter (Böheim, Fink & Zulehner, 2023). Diese Unterschiede können zum Teil durch Faktoren wie die ungleiche Verteilung von Familienarbeit zwischen den Geschlechtern erklärt werden. Dennoch bleibt eine Restgröße, die auf ein gewisse „Diskriminierung“ von Frauen im Erwerbsleben und am Arbeitsmarkt hinweist.

Da Frauen auf dem Arbeitsmarkt häufig weniger flexibel sind, kann die Globalisierung das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern noch verschärfen. Internationalisierte Unternehmen könnten die Flexibilität der Arbeitskräfte höher wertschätzen als nur im Inland tätige Unternehmen, was für Frauen aufgrund von Care-Arbeit oftmals ein Nachteil ist. In der Literatur wird auf den stärkeren internationalen Wettbewerb verwiesen, weshalb Exporteure von ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oftmals ein größeres Maß an Engagement und mehr Flexibilität verlangen (Kvande, 2009, Bøler, Javorcik & Ulltveit-Moe, 2018).

Die Internationalisierung kann jedoch auch ein Faktor für die Verringerung des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen sein. Eine stärkere Beteiligung am internationalen Handel schafft Wachstumspotentiale, die eine höhere Nachfrage – auch nach Frauen am Arbeitsmarkt – generieren. Dies könnte zu einer stärkeren Erwerbsbeteiligung von Frauen führen (Oostendorp, 2009). Dieses Spotlight gibt einen ersten Eindruck über die Arbeitsmarktpartizipation von Frauen in international tätigen österreichischen Unternehmen auf Basis von erstmalig für die wissenschaftliche Forschung verfügbaren Registerdaten der amtlichen Statistik von 2013-2019.

Höhere Flexibilitätsanforderungen bei mehr Flexibilität…

Der Frauenanteil in österreichischen Unternehmen ist im Dienstleistungsbereich deutlich höher als in der Industrie oder im Baugewerbe. Dies gilt sowohl für exportierende als auch für nur im Inland tätige Unternehmen. Unter Berücksichtigung von Branchen-, Größen- und Produktivitätsunterschieden zwischen Unternehmen zeigt sich, dass exportierende Unternehmen im Durchschnitt einen rund 3.5 Prozentpunkte höheren Frauenanteil aufweisen als vergleichbare Unternehmen, die nur am heimischen Markt aktiv sind. Zu ähnlichen Ergebnisse kommt auch eine kürzlich veröffentlichte Studie der OECD (2023) für ausländische Direktinvestitionen in Österreich. Österreichische Exportunternehmen mit Handelspartnern in weit entfernten Ländern weisen einen um etwas 6-8% höheren Frauenanteil auf (siehe Abbildung 1). Es bestehen aufgrund von Zeitzonendifferenzen höhere Flexibilitätsanforderungen, um die Erreichbarkeit per Telefon und E-Mail sowie technische Unterstützung und Zusammenarbeit zu gewährleisten.

Abbildung 1: Frauenanteil in exportierenden Unternehmen (in %)

Anmerkung: Durchschnittlicher Frauenanteil nach Unternehmenstyp, 2013-2019.  „+/- 4h Exporter“ umfassen alle Unternehmen, mit überwiegenden Exportdestinationen mit einer Zeitzonendifferenz von mindestens 4 Stunden. Ausreißer ausgeschlossen.
Quelle: Austrian Micro Data Center, Statistik Austria, 2013-2019. WIFO Darstellung.

Abbildung 2: Anteil an Teilzeitbeschäftigen (in %)

Anmerkung: Durchschnittliche Teilzeitbeschäftigungsquote nach Unternehmenstyp, 2013-2019. „+/- 4h Exporter“ umfassen alle Unternehmen, mit überwiegenden Exportdestinationen mit einer Zeitzonendifferenz von mindestens 4 Stunden. Ausreißer ausgeschlossen.
Quelle: Austrian Micro Data Center, Statistik Austria, 2013-2019. WIFO Darstellung.

Bei der Teilzeitbeschäftigung zeigt sich, dass mit ansteigenden Flexibilitätsanforderungen von den Beschäftigten die Teilzeitquote sinkt. Die gilt insbesondere für Frauen (siehe Abbildung 2). Bei Zeitzonenunterschieden von mehr als 4 Stunden ist es bei einer durchschnittlicher täglicher Teilzeitarbeitszeit von 4 Stunden schwierig, überschneidende Arbeitszeiten mit entfernten Geschäftspartnern zu finden. Daraus ergibt sich, dass in international aktiven Unternehmen mehr Frauen in Vollzeit beschäftigt sind. Dies gilt auch für Mütter mit Kindern im Vorschulalter. So können Frauen ihre Qualifikationen und Kompetenzen besser einbringen und Berufserfahrungen aufbauen.

Demgegenüber steigt die Teilzeitquote der Männer in exportorientierenden Unternehmen – wenn auch auf sehr niedrigem Niveau. Dies deutet darauf hin, dass Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, zwar höhere Flexibilitätsanforderungen haben, gleichzeitig aber auch mehr Flexibilität ermöglichen, etwa bei den Arbeitsbedingungen, der Arbeitszeitgestaltung oder der individuellen Arbeitsorganisation

  

… und höheren Löhnen für Frauen in Österreich

Abbildung 3: Vollzeitlöhne für Frauen in Österreich

Anmerkung: Durchschnittliche unbereinigte Vollzeitlöhne von 2013-2019 nach Unternehmenstypen.Ausreißer ausgeschlossen.
Quelle: Austrian Micro Data Center, Statistik Austria, 2013-2019. WIFO Darstellung.

Auch beim Einkommen profitieren Frauen von höheren Vollzeitlöhnen und -gehältern in exportorientierten Unternehmen. Als Vergleich werden Unternehmen herangezogen, die ausschließlich am heimischen Markt aktiv sind (siehe Abbildung 3). Allerdings ist der Lohnaufschlag in exportierenden Unternehmen höher für Männer als für Frauen, wodurch sich der geschlechtsspezifische, unbereinigte Lohnunterschied vergrößert. Im Durchschnitt verdienten Frauen über den Zeithorizont von 2013-2019 rund 21 Prozent weniger als Männer in exportierenden Unternehmen, während Frauen in nur am inländischen Markt aktiven Unternehmen „nur“ 18 Prozent weniger als Männer verdienten. 

Somit zeigt sich für die österreichischen Exporteure, dass sie – trotz hoher Flexibilitätsanforderungen an ihre Beschäftigten – ihrerseits den Beschäftigten ebenfalls mehr Flexibilität zugestehen. Die höheren zeitlichen Flexibilitätsanforderungen der exportierenden Unternehmen gehen auch mit höheren Löhnen und Gehältern einher. Allerdings werden Männer davon stärker begünstigt.

Detaillierte Zusammenhänge zwischen der Beschäftigung von Frauen und geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden werden im Rahmen des FIW-Projekts „Frauen in der österreichischen Außenwirtschaft“ von Birgit Meyer, Klaus Friesenbichler und Harald Oberhofer auf Basis von Mikrodaten des Austria Mirco Data Center der Statistik Austria analysiert. Die Ergebnisse werden voraussichtlich Mitte 2023 als FIW-Studie publiziert

Referenzen:

Bøler, E. A.,  B. Javorcik, und K. H. Ulltveit-Moe (2018). Working across Time Zones: Exporters and the Gender Wage Gap. Journal of International Economics 111 (1. März 2018): 122–33.

Böheim, R, M. Fink, und C. Zulehner (2023). Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern in Österreich von 2005 bis 2021. WIFO Research Briefs 4/2023.

Kvande, E. (2009). Work-life balance for fathers in globalized knowledge work. Some insights from the Norwegian context. Gender, Work & Organization, 16(1), 58-72.

Oostendorp, R. H. (2009). Globalization and the Gender Wage Gap. The World Bank Economic Review, 23(1), 141-161.

OECD (2023). FDI Qualities Review of Austria: Closing Gender Gaps and Empowering Women. OECD Publishing Paris.

Autor:in: Birgit Meyer (WIFO)

ist Ökonomin und in der Forschungsgruppe „Industrieökonomie, Innovation und internationaler Wettbewerb“ tätig. Zudem ist sie Lektorin am Institut für Internationale Wirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien und External Research Fellow am Kieler Zentrum für Globalisierung (KCG). Sie hat einen Abschluss in Volkswirtschaft von der Universität Bonn und promovierte 2016 an der Universität Kiel. Für ihre Dissertation erhielt sie 2017 den Fakultätspreis für herausragende Promotionen der Universität Kiel. Während ihrer Promotion war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kiel Institut für Weltwirtschaft und der Universität Kiel. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der Analyse der Effekte der Globalisierung auf Innovation, Investitionen und Entwicklung. Hier fokussiert sie sich insbesondere auf die Analyse der Effekte von Auslandsdirektinvestitionen, multinationaler Unternehmen und internationalem Handel auf Unternehmens- und Branchenebene. Dazu hat sie mehrere Projekte durchgeführt, u. a. für Einrichtungen wie der Weltbank oder UNIDO. Eine Vielzahl ihrer Arbeiten wurden in akademischen Journals veröffentlicht, darunter The World Economy, World Development und Review of World Economics. Sie hält Vorträge auf zahlreichen Konferenzen und Workshops. Bei der Jahrestagung der Nationalökonomischen Gesellschaft (NOeG) 2019 erhielt sie den Young Economist Award für ihre Forschungsarbeit.

Veröffentlicht am 17.3.2023.

Call for Papers: 6. WIEN-Workshop

Organisation: Pol Antràs (Harvard), Alejandro Cuñat (University of Vienna), and Kalina Manova (UCL)

Keynote-Lectures: Swati Dhingra (LSE) und Marc J. Melitz (Harvard)

Im Anschluss an die ersten fünf Ausgaben von WIEN wird die Universität Wien erneut ein zweitägiges Treffen veranstalten, das Forscher mit Interesse an internationaler Wirtschaft, globalen Wertschöpfungsketten und Wirtschaftsgeographie zusammenbringen wird.

Der Workshop wird in der wunderschönen Sky-Lounge der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und Statistik der Universität Wien mit Blick auf das Stadtzentrum stattfinden.

Um in das Programm aufgenommen zu werden, müssen die Beiträge im PDF-Format bis Freitag, 10. März 2023, an economics@univie.ac.at eingereicht werden. Die für die Konferenz ausgewählten Autoren werden Ende März benachrichtigt.

Die Organisatoren sind besonders daran interessiert, Beiträge von jungen Wissenschaftlern, einschließlich Doktoranden und Forschern, die gerade ihre Promotion abgeschlossen haben, zu erhalten. In diesem Sinne würden wir es begrüßen, wenn Sie diese Aufforderung zur Einreichung von Beiträgen an Ihre jüngeren Kollegen, ehemaligen Studenten und derzeitigen Doktoranden weitergeben könnten. Wie in den vergangenen Jahren werden wir bei der Auswahl der Referenten aktiv auf Vielfalt achten.

Den Teilnehmern wird eine Unterkunft im Zentrum von Wien zur Verfügung gestellt, und die Flugkosten für die Referenten werden im Rahmen bestimmter Budgetvorgaben ebenfalls erstattet. Die Konferenz wird großzügig von der Heinrich Graph Hardegg’sche Stiftung, dem FIW, der Universität Wien, dem VGSE, dem wiiw und dem Europäischen Forschungsrat im Rahmen des EU-Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 (Grant Agreement 724880) unterstützt.

Förderpreis für Frauen in der Wirtschaftsforschung: FIW-Award für Masterarbeiten im Bereich International Economics verliehen

Als Höhepunkt des FIW-Workshops „Women in International Economics“ überreichten Generalsekräterin Eval Landrichtinger (BMAW) und FIW-Projektleiter Univ.-Prof. Harald Oberhofer den FIW-Award für Masterarbeiten im Bereich International Economics an die beiden Preisträgerinnen Nicole Sattler und Johanna Treiber.

Im Rahmen des „Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft“ wird der „FIW Award für Frauen in der Wirschaftsforschung“ jährlich als Förderung für exzellente Nachwuchswissenschaftlerinnen im Forschungsbereich International Economics ausgeschrieben.

Der diesjährige Preis richtete sich an qualifizierte Wissenschafterinnen, die eine Diplom- oder Masterarbeit an einer österreichischen Universität im Bereich „International Economics“ verfasst haben oder an österreichische Staatsbürgerinnen, die ihre Masterarbeit an einer Universität im Ausland verfasst haben

Die Höhe des Förderpreises beträgt insgesamt € 5.000, in diesem Jahr erhalten die beiden Preisträgerinnen jeweils 2.500€.

Ausgezeichnet wurden:

Nicole Sattler (BMF) für die Master-Arbeit „The impact of the AfCFTA on the EU-Africa trade relation“

Johanna Treiber (Deutsche Bundesbank) für die Master-Arbeit „Labour Laws and FDI Productivity Spillovers – Analysis of the Labour Mobility Channel“.

Harald Oberhofer, Johanna Treiber, Nicole Sattler, Eva Landrichtinger (v.l.n.r.)
© Dolenc/BMAW

It is important to study how other countries trade policies affects us. We often are only concerned with our trade policies. What others do matters! This is what we know from trade theory. Economic relationships with African economies will be crucial for tackling main challenges like climate change. Need for raw materials such a rare earths for green technologies. Technology transfer from EU to Africa crucial for development of global CO2-emmission.This is an excellent Master thesis, very well conducted and timely.

Harald Oberhofer zur Begründung der Verleihung des FIW-Awards 2022 an Nicole Sattler.

This thesis applies state of the art econometric methods for studying an important question in the International Economics, namely on potentially positive effects of FDI for the host countries.The findings are relevant for understanding potential heterogeneity in positive FDI spillover effects for productivity also contributing to the policy debate on the role of host market institutions for the effects of FDI.This is important to our understanding of potential effects of technology transfer that might become relevant with respect to green technologies.

Harald Oberhofer zur Begründung der Verleihung des FIW-Awards 2022 an Johanna Treiber.

FIW präsentiert Jahresgutachten

Nach starken Wachstumsjahren stagniert Österreichs Außenhandel 2023

Nach einer dynamischen Entwicklung 2022 erwartet der „Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft“ (FIW) für 2023 ein geringes Wachstum der österreichischen Exporte und Importe.

Das vierte Jahresgutachten des FIW zur „Lage der österreichischen Außenwirtschaft“ wurde gemeinsam mit Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher vorgestellt. Das Jahresgutachten widmet sich den aktuellen internationalen Rahmenbedingungen für die österreichische Außenwirtschaft und der Handelsentwicklung im Jahr 2022. Darüber hinaus präsentierten die Studienautoren Harald Oberhofer (WIFO, WU Wien) und Robert Stehrer (wiiw) sowie die Studienautorin Bettina Meinhart (WIFO) kurz- und mittelfristige Prognosen für die zu erwartende zukünftige Entwicklung der österreichischen Außenwirtschaftsbeziehungen.

Das Jahr 2022 stand unter dem Eindruck des russischen Angriffs auf die Ukraine und der darauffolgenden Energiepreiskrise. Haushalte und Unternehmen waren von den gestiegenen Energiekosten massiv betroffen. Ab dem 2. Halbjahr hinterließen der daraus resultierende Angebotsschock und die hohen Inflationsraten ihre Spuren in der Weltwirtschaft. Die österreichische Abhängigkeit von russischem Erdgas stellt die heimischen Haushalte, Unternehmen und die Politik vor besondere Herausforderungen. Der österreichische Außenhandel konnte sich unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen relativ gut behaupten, litt 2022 aber unter der deutlichen Verschlechterung der Terms-of-Trade, also einer Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Export- und Importpreisen. Die Preise für österreichische Warenexporte sind um 5,5 Prozentpunkte weniger stark als die Importpreise angestiegen. In reinen Mengen ausgedrückt haben sich die österreichischen Exporte dynamischer als die Importe entwickelt: Der Gesamtexport von Waren und Dienstleistungen stieg gemäß Prognose real im Jahr 2022 um 8,8%, die Importe nahmen um 5,1% zu.

Bild von Harald Oberhofer, BM Kocher und Bettina Meinhart bei der Pressekonferenz
© Enzo Holey

2022 überwog der negative Terms-of-Trade-Effekt den Mengeneffekt, sodass sich 2022 die österreichische Handelsbilanz um 7,6 Mrd. € im Vergleich zum Jahr 2021 verschlechterte und ein Defizit von –20,5 Mrd. € aufweist. Die positivere Entwicklung der Dienstleistungsbilanz, welche durch eine massive Steigerung der Reiseverkehrsexporte (mehr Reisen von ausländischen Tourist:innen nach Österreich) getrieben wurde, konnte letztes Jahr das Handelsbilanzdefizit ausgleichen. 2022 ist die Leistungsbilanz mit 200 Mio. € im positiven Bereich.

Für 2023 prognostiziert der „Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft“ (FIW) ein Wachstum der Gesamtexporte in Höhe von 0,3%. Die Importe dürften heuer um 0,9% steigen. Vor allem durch die steigenden Importpreise – verursacht durch die Energiekrise – könnte Österreich 2023 das erste Mal seit 2001 eine negative Leistungsbilanz aufweisen. Das Defizit beträgt laut Prognose –1,8 Mrd. € (0,4% des BIP).

Im Jahr 2023 setzt sich die Verschlechterung der Terms-of-Trade auf Basis der Studienprognose mit einem Rückgang von 1% weiter fort. Die Warenexporte dürften um 0,1% zulegen, die Dienstleistungsexporte verzeichnen ein Wachstum von 1,2%. Die Gesamtimporte wachsen um 0,9%. Der Unterschied zwischen den Exporten und Importen ergibt sich aus einem höheren Dienstleistungsimportwachstum von 3,3%. Die Handelsbilanz könnte sich durch den weiteren negativen Terms-of-Trade-Effekt auf –23,3 Mrd. € verschlechtern. Dieses Defizit wird von den Dienstleistungsbilanzüberschüssen nicht mehr vollständig kompensiert werden können. Die österreichische Leistungsbilanz wird 2023 mit einem Abgang von –1,8 Mrd. € (0,4% des BIP) einen negativen Saldo aufweisen. 2024 sollte die Leistungsbilanz laut Prognose zu einem geringen Überschuss zurückkehren.

Das FIW-Jahresgutachten 2023 ist als kostenfreier Download abrufbar und die Datenhänge stehen Ihnen als Excel und PDF zur Verfügung.

FIW-Spotlight: Entwicklung des Handels mit den RCEP-Staaten

Vor einem Jahr wurde das weltweit größte Handelsabkommen der Welt, das RCEP-Abkommen, abgeschlossen. Der Handel der EU und Österreichs mit dieser Region entwickelte sich in den letzten 20 Jahren sehr dynamisch, wobei China die Hauptrolle zukommt. Dabei spielen vor allem die Importe von Hochtechnologieprodukten eine wichtige Rolle, was auch strategische Abhängigkeiten impliziert, die aufgrund der geopolitischen Veränderungen stärker beachtet werden.

Das RCEP-Abkommen

Das Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) Abkommen über die regionale umfassende Wirtschaftspartnerschaft im asiatischen Raum wurde im Jänner 2022 nach zehnjährigen Verhandlungen umgesetzt. Damit wurde der größte Handelsblock der Welt gebildet und somit ein weiteres Kapitel der internationalen Handelsgeschichte geschrieben. Das RCEP-Abkommen umfasst China, Japan, Südkorea, Neuseeland, Australien und die ASEAN-Staaten und gewährleistet die schrittweise Abschaffung der Zölle zwischen den RCEP-Mitgliedern bis 2040 und eine fast vollständige Öffnung des Warenhandels (90%). Aufgrund der Größe dieser Region werden längerfristig große Auswirkungen auf den globalen Handel und Wachstum erwartet. So haben die RCEP-Länder zusammen, im Vergleich zur EU, ein um etwa 70% höheres BIP und eine mehr als viermal so große Bevölkerung. Das macht eine weitere Verschiebung des geographischen Schwerpunkts des Handels in Richtung Asien-Pazifik (Quah, 2011) und weg vom Westen in den nächsten zwanzig Jahren wahrscheinlich (UNCTAD, 2021).

Starke Dynamik Richtung Asien schon vor dem Abkommen …

Es liegt auf der Hand, dass die Dynamik, mit der sich das RCEP-Abkommen auf die Zukunft des Handels auswirkt, in erster Linie von China, dem dominierenden Handelsmitglied des RCEP, abhängen wird. Auf China allein entfällt mehr als die Hälfte der Bevölkerung und Produktion in diesem Freihandelsraum. Darüber hinaus ist die Rolle Chinas im internationalen Handel nach seinem Beitritt zur Welthandelsorganisation im Jahr 2001 stark gewachsen. Betrachtet man den gesamten Handel der RCEP-Mitglieder mit der EU zeigt sich, dass dieser stark zunahm: Der Anteil der Einfuhren an den extra-EU Importen stieg seit 2001 um 4,5 Prozentpunkte und der Anteil der Ausfuhren um 3,1 Prozentpunkte (siehe Abbildung 1, links). Dieser Anstieg mit den RCEP-Mitgliedern geht vor allem auf das Konto Chinas, jedoch auf Kosten einiger anderer Mitglieder wie Japan, dessen Ausfuhren in die EU (als Anteil am Gesamtvolumen) im entsprechenden Zeitraum von 2,8% auf 1,2% zurückgingen. Dasselbe gilt für Österreich, auch wenn der Anstieg des Handelsanteils in dieser Periode geringer ausfällt als für die EU insgesamt (siehe Abbildung 1, rechts).

… vor allem bei Hochtechnologieprodukten

Der Anteil der EU-Gesamtimporte aus den RCEP-Ländern ist jedoch bei Hochtechnologieerzeugnissen von etwa 15% im Jahr 2001 auf 24% im Jahr 2020 noch viel stärker gestiegen (siehe Abbildung 2). Für Österreich ist der Anstieg sogar noch höher — ein Sprung von 14 Prozentpunkten in diesem 20-Jahres-Zeitraum (Abbildung 2, rechts). Heute stammen fast 43% der gesamten EU-Importe von Computer-, Elektronik- und optischen Erzeugnissen, 26 % der Computer-, Elektronik- und optischen Erzeugnisse und etwa 20 % der Maschinen und Ausrüstungen aus dem RCEP-Block. Der Export dieser Güter mit den RCEP-Mitgliedern hat ebenfalls zugenommen, auch wenn er geringere Anteile an den Gesamtexporten der EU und Österreichs ausmacht (siehe Abbildung 3).

Dies macht diesen Sektor besonders abhängig und damit anfällig angesichts der weiteren Verlagerung nach Asien und der potenziellen Veränderungen der Handelsmuster infolge des RCEP-Abkommens. Dies hat auch größere wirtschaftliche Auswirkungen, da der Hochtechnologiesektor viel stärker auf F&E und Innovation angewiesen ist als die traditionelle verarbeitende Industrie. Als solche sind Hochtechnologie-Sektoren ein wichtiger Katalysator für Wachstum (Hornbeck und Moretti, 2018), insbesondere in Zeiten des digitalen und grünen Wandels. Eines der markantesten Beispiele ist dabei die Halbleiterproduktion im und -importen aus dem asiatischen Raum.

Jedoch Stagnation der Handelsbeziehungen im letzten Jahr

Für 2022 kann man (für die Monate Jänner bis September) eine Stagnation oder sogar einen geringen Rückgang des Anteils des EU-RCEP-Handels beobachten (siehe Abbildung 1 und 2). Die EU-Exporte in die RCEP-Länder gingen um etwa 1 Prozentpunkt zurück, während die österreichischen Hightech-Importe aus den RCEP-Ländern um etwa 3 Prozentpunkte sanken — der größte Rückgang im Hightech-Handel mit dem neuen Handelsblock in den letzten 20 Jahren. Es überrascht nicht, dass diese Verschiebung hauptsächlich von China allein verursacht wird (jährlicher Rückgang um 3,5 Prozentpunkte).

Es ist allerdings schwierig, die Ursachen für diesen Rückgang des EU-RCEP-Handels zu bestimmen, da viele Faktoren eine Rolle spielen. Nach der COVID-19-Pandemie und den geopolitischen und -ökonomischen Verwerfungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zeichnen sich neue Trends im Handel ab mit dem Ziel die Lieferketten zu verkürzen (unter den Begriffen Nearshoring, Reshoring, oder Friendshoring). Auch die „Offene strategische Autonomie der EU bis 2040“ geht von einer stärkeren wirtschaftlichen Beziehung zwischen der EU und ihrer Nachbarschaft aus, sowie einer Neuausrichtung der Positionierung gegenüber China. So zielt, zum Beispiel, der im Dezember 2022 verabschiedete „European Chips Act“ darauf ab, die Widerstandsfähigkeit der Hightech-Lieferketten zu stärken — gerade bei den Halbleiterprodukten der EU, für die sich die Nachfrage laut Europäischer Kommission bis 2030 verdoppeln wird. All diese Trends dürften den Handel zwischen geografisch nahen Ländern auf Kosten der weiter entfernten Länder stärken. Im Einklang damit steht das Handelsabkommen RCEP, das verstärkt zur Bildung von Lieferketten innerhalb des asiatisch-pazifischen Raumes beitragen dürfte. Aus diese Gründen kann man davon ausgehen, dass sich die Dynamik des Handels mit den RCEP-Ländern in den nächsten zwanzig Jahren aufgrund von Umlenkungseffekten, die sich aus dem Abkommen ergeben (siehe z. B. Stehrer und Vujanovic, 2022), sowie der derzeit absehbaren generellen globalen Änderungen abschwächen wird.

Referenzen

Hornbeck, R., & Moretti, E. (2018). Who benefits from productivity growth? Direct and indirect effects of local TFP growth on wages, rents, and inequality (No. w24661). National Bureau of Economic Research.

Quah, D. (2011). The global economy’s shifting centre of gravity. Global Policy, 2(1), 3-9.

Stehrer, R., & Vujanovic, N. (2022). The Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) agreement: Economic implications for the EU27 and Austria (No. 054). FIW.

UNCTAD (2021), A new centre of gravity: The Regional Comprehensive Economic Partnership and its trade effects.

Autorin: Nina Vujanović, PhD (wiiw)

Nina Vujanović ist Ökonomin am wiiw und forscht zu Themen des internationalen Handels, ausländischer Direktinvestitionen und den Balkanländern. Zuvor arbeitete sie als Beraterin des Vizegouverneurs der Zentralbank von Montenegro, als Beraterin bei der UNCTAD (Abteilung für Investitionen und Unternehmen) und als Forschungsstipendiatin bei der WTO (Abteilung für Wirtschaftsforschung und Statistik). Sie veröffentlichte Arbeiten in den Bereichen ausländische Direktinvestitionen, Produktivität, Innovation und Kreditrisiko. Sie hat einen PhD in internationaler Wirtschaft von der Staffordshire University und einen Master in Wirtschaftspolitik vom University College London.

Die Graphiken wurden von Alireza Sabouniha erstellt. Alireza Sabouniha ist Research Assistant am wiiw und absolviert derzeit sein Masterstudium in Volkswirtschaft an der WU Wien.

FIW-Spotlight: Der Außenhandel der EU mit Lateinamerika im Lichte der aktuellen handelspolitischen Schwerpunkte der EU-Kommission

In ihrer diesjährigen Rede zur Lage der Europäischen Union betonte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass es die außenpolitische Agenda der Europäischen Union zu überdenken gilt und die Zusammenarbeit mit demokratischen Nationen („unseren wichtigsten gleichgesinnten Partnern: unseren Freunden in den demokratischen Nation auf dieser Welt“) zu intensivieren sei (Von der Leyen, 2022). Lateinamerika spielt hierbei eine wichtige Rolle. So sollen in naher Zukunft die Abkommen mit Chile, Mexiko, neben dem mit Neuseeland ratifiziert und die Verhandlungen mit Australien und Indien vorangetrieben werden (ibid.). Konkret bedeutet dies eine Modernisierung des Handelsteils des EU – Chile Assoziierungsabkommens, eine Ratifizierung des EU –  Mexiko Assoziierungsabkommens, sowie des Freihandelsabkommens mit Neuseeland. Weiters soll in Lateinamerika, in Kooperation mit den G7, insbesondere den USA, eine umfangreiche Beteiligungsstrategie verfolgt werden (ibid.). Lateinamerika erfüllt damit zwei geopolitisch wichtige Kriterien für die Europäische Kommission: fast alle Staaten sind demokratisch regiert und es ist rohstoffreich, wie auch der Aktionsplan zur Widerstandsfähigkeit der EU bei kritischen Rohstoffen illustriert.

Dieser Beitrag legt den Fokus auf die wirtschaftliche Bedeutung des EU-Handels mit Lateinamerika. In Summe exportierte die EU im Jahr 2021 Güter im Wert von fast 2,2 Billionen Euro in Drittstaaten. Nach Lateinamerika wurden davon Güter im Wert von 114,9 Milliarden Euro exportiert. Dem gegenüber standen Importe aus Lateinamerika in der Höhe von 98 Milliarden Euro, was aus EU-Sicht einen Handelsbilanzüberschuss mit Lateinamerika in der Höhe von 16,9 Milliarden Euro ergibt. Wie Grafik 1 zeigt, war die EU-Handelsbilanz mit Lateinamerika in den Jahren seit der globalen Finanzkrise (ab 2012) immer positiv.

Gemessen an den EU-Exporten spielt Lateinamerika mit einem Anteil von 5,3% 2021 somit eine vergleichsweise geringe Rolle (Grafik 2). Die mit Abstand wichtigste Zielregion für EU-Exporte waren Europäische Drittstaaten, auf welche 34,5% entfielen, gefolgt von Kanada und USA mit 20%, China mit 10,3% und Afrika mit 6,7%. Weitere wichtige Exportpartner nach Größe sind Japan mit 2,9%, Südkorea mit 2,4% und Indien mit 1,9%.

Im Vergleich zum Jahr 2011 ist der Anteil der EU-Exporte nach Lateinamerika an den gesamten EU-Exporten von 5,7% auf 5,3% sogar leicht gesunken. Während das Handelsvolumen nach Lateinamerika seit 2011 mit etwa 23,9% gewachsen ist, stiegen die gesamten EU-Exporte um 34,3% (Grafik 3). Zum Vergleich, mit einem Plus von jeweils rund 77% im gleichen Zeitraum wuchsen die Exporte besonders stark nach China und Kanada und USA.

Innerlateinamerikanisch spiegelt die Priorisierung der Europäischen Kommission die Bedeutung von Chile und Mexiko für die europäischen Exportmärkte wider. So ist Mexiko für sich betrachtet der wichtigste Handelspartner der Europäischen Union in Lateinamerika, gefolgt von Brasilien (hier in Mercosur inkludiert) und Chile (Grafik 4).

Das EU-Mercosur Assoziierungsabkommen ist zwar ausverhandelt, liegt jedoch aktuell „auf Eis“. Aus EU-Sicht standen einer Ratifizierung des Assoziierungsabkommens bisher vor allem Vorbehalte beim Umweltschutz im Wege. In Brasilien, welches die Mercosur Gruppe dominiert, wurde unter der Regierung Bolsonaro der Umweltschutz auf vielerlei Ebenen geschwächt und die Abholzungen und die weitere Erschließung des Amazonasgebietes vorangetrieben. In konkreten Zahlen bedeutet dies, dass allein im Jahr 2021 mehr als 13.000 km² Regenwald (was mehr als der Fläche Tirols entspricht) abgeholzt wurden, im Jahr 2022 sogar noch mehr. Das Abkommen würde solchen Vorbehalten beim Umweltschutz zwar Rechnung tragen, aber wie Grübler at al. (2020) schlussfolgern, kann ein Handelsabkommen „kein besseres Instrument zur Durchsetzung von Umweltverpflichtungen sein als ein Umweltvertrag“. Wobei solche Klauseln für sich nicht neu sind. So haben die Umweltklausen in Freihandelsabkommen ganz allgemein seit den 1990ern deutlich zugenommen (Meinhart, 2022).

Mit dem designierten brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio da Silva, könnte sich ein neues Zeitfenster zur Ratifizierung des Abkommens eröffnen. So hat er im Zuge seines Wahlkampfs als Ziel ausgegeben, binnen sechs Monaten nach seiner Wiederwahl, dieses abschließen, aber auch Teile des Abkommens nachverhandeln, zu wollen. Beim COP27 Gipfel wie auch schon davor betonte er, dass die Bekämpfung der Abholzungen im Amazons höchste Priorität haben werden. Seine Glaubwürdigkeit in dieser Hinsicht unterstreicht der deutliche Rückgang an Abholzungen unter seiner Präsidentschaft 2003 – 2010. Mit Blick auf die Wahlen zum Europäischen Parlament 2024, wo während des Wahlkampfs ein Abschluss eher unwahrscheinlich erscheint, öffnet sich somit 2023 ein Zeitfenster für beide Seiten. Die EU-Außenhandelspolitik ist hier sicher in einem Zielkonflikt aus geo-, und handelspolitischen Interessen und den selbst gesteckten Zielen des Green Deals. Lateinamerika ist hierfür exemplarisch, mit der großen wirtschaftlichen Bedeutung von Agrar- und Rohstoffexporten auf der einen und dem EU-Rohstoffbedarf auf der anderen Seite. So entfallen aktuell fast 41% der lateinamerikanischen Exporte auf Rohstoffe wie seltene Erden und auf landwirtschaftliche Güter und weitere 17,8% (als Teil der Sachgüterproduktion) auf die Erzeugung von Nahrungs- und Futtermitteln (Grafik 5). Europäische Exporte nach Lateinamerika sind hingegen zu mehr als 95% Sachgüter. Die wichtigsten Sektoren aus EU-Sicht sind hierbei der Maschinen- und Fahrzeugbau sowie chemische und pharmazeutische Erzeugnisse.

Lateinamerika ist somit für die Versorgung der Europäischen Union mit kritischen Rohstoffen von Relevanz. So rechnet die Europäische Kommission damit, dass sich der EU-Bedarf an seltenen Erden, derzeit von China dominiert, bis 2030 verfünffachen, bei Lithium sogar verachtzehnfachen wird. Laut dem 2020 veröffentlichten Aktionsplan zur Widerstandsfähigkeit der EU bei kritischen Rohstoffen bezieht die Europäische Union seltene Erden fast ausschließlich (98%) aus China (Europäische Kommission, 2020). Bei dem für die Batterieproduktion besonders bedeutenden Lithium ist hingegen Chile der weltweit größte Produzent und der wichtigste Lieferant für die Europäische Union (ibid.) Mexiko ist beispielsweise der größte nicht-asiatische Verarbeiter von Wismut und Brasilien, ebenso unter den wichtigsten Erzeugern mehrerer kritischen Rohstoffe. Im Rennen mit China spielt Lateinamerika dementsprechend bereits jetzt eine wichtige Rolle, dessen Bedeutung für die EU – vor allem auch im Zusammenhang mit den derzeitigen geopolitischen Änderungen – zunehmen wird.

Quellenverzeichnis:

Europäische Kommission. (2020). Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament, den europäischen Rat, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen Widerstandsfähigkeit der EU bei kritischen Rohstoffen: Einen Pfad hin zu größerer Sicherheit und Nachhaltigkeit abstecken. COM(2020) 474 final, Brüssel.

Grübler, J., Reiter, O. und Sinabell, F. (2020). EU und Mercosur – Auswirkungen eines Abbaus von Handelsschranken und Aspekte der Nachhaltigkeit. WIFO Monatsberichte 11/2020.

Meinhart, B. (2022). Greening Trade? Environmental Provisions in Trade Agreements. FIW- Policy Brief, (55).

Von der Leyen, U. (2022). Lage der Union. Rede. https://ec.europa.eu/commission/presscorner/api/files/document/print/de/speech_22_5493/SPEECH_22_5493_DE.pdf

Autor: Mag. Bernhard Moshammer, M.A. (wiiw)

Bernhard Moshammer ist Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Sein Forschungsschwerpunkt ist Europäische Wirtschaftspolitik. Zuvor war er im österreichischen Bundeskanzleramt für EU-Angelegenheiten, uA. für den österreichischen EU-Ratsvorsitz tätig. Er hat ein Diplomstudium in Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien absolviert und einen M.A. in European Interdisciplinary Studies vom College of Europe, Natolin Campus in Warschau, Polen.

FIW-Spotlight: Consequences of the Euro depreciation

Since the start of 2022 the euro depreciated by some 15%, beginning the year at 1.14 USD per EUR and declining below parity towards 0.97 recently. One major factor causing this decline can be viewed as truly exogenous: the war in Ukraine was unexpected and resulted in several rounds of sanctions imposed on Russia, with sizeable negative repercussions on the EU’s export volumes and impairments for active foreign direct investment (FDI) of EU-firms in Russia. The EU received a second blow through rising energy prices. Many member countries showed a high dependence on Russian gas and oil, and the Russian government deliberately used its position to generate uncertainty in spot as well as futures gas markets leading to severe risk premiums after sanctions and countervailing measures by Russia were going back and forth. Due to its high dependence on Russian energy, the euro area suffered a set-back as a business location, making the euro area less attractive for passive FDI, destroying potential output, and finally leading to a depreciation of the euro vis-a-vis areas less exposed to Russia as a trade partner.

There is a second endogenous source for the devaluation of the euro, resulting from the build-up of inflationary pressure throughout the world economy, except Japan. The US-Federal Reserve Bank (Fed) was first confronted with rising inflation rates since in April 2021 (+4.2% YoY) while inflation in the euro area at that time still remained below target (+1.6% YoY). Both monetary authorities interpreted higher inflation rates as energy driven and transitory but by December 2021 the Fed changed its opinion and corrected its forward guidance from accommodative to restrictive. The Fed first announced to unwind its asset purchase program and started to increase the target rate by March 2022, while the ECB waited until the end of July 2022 to follow suit. By the end of September 2022 the target range for the US-interest rate reached 3% to 3.25% and the euro area‘s main refinancing rate was at 1.25%, creating an interest rate differential of almost 2 percentage points.

Deviations between US and European short term interest rates were a regular feature in the past. Figure 1 shows the interest rate differential between the US-target rate and the corresponding European equivalent from 1985 through 2022. A positive value on the horizontal axis implies that US-rates were above the main refinancing rate in the euro area. The vertical axis shows the exchange rate measured in USD per EUR. The slight negative slope of this cloud indicates that relatively high target rates in the US go along with a strong US-dollar, while a relatively high refinancing rate in the euro area typically involves a strong euro. The red dots in Figure 1 show the development from January to September 2022; the movement towards the lower right hand corner reflects the more aggressive policy stance in the USA together with the appreciation of the US-dollar.

Figure 1 – Relatively higher domestic interest rates support the home currency

Starting from this situation, what can we expect for the rest of 2022 and the following year? The WIFO forecast (Glocker – Ederer, 2022) expects a further tightening of monetary policy in both areas with the ECB acting more decisively such that the interest rate differential will be reduced to around 0.5 percentage points at the end of 2023. Accordingly, the euro will appreciate slightly (green dots in Figure 1), resulting in annual averages of 1.05 (2022) and 1.04 (2023) USD per euro with a trough in fall 2022. This development can be interpreted using the uncovered interest rate parity condition: after the US-monetary tightening, the USD must jump to a lower value (appreciation) in order to keep the interest parity condition valid, thus providing room for a consecutive depreciation which balances higher US-interest rates (Dornbusch, 1976). This adjustment mechanism does not hold empirically, however (Engel, 2014). A time-variable degree of asset market segmentation (Alvarez et al., 2009) or a liquidity premium on the deposit earning higher interest (Engel, 2016) provide alternative explanations.

Does the USD-EUR exchange rate actually jump around announcements dates of monetary policy actions? Figure 2 offers some insight. The lines in Figure 2 depict the exchange rate during the 10 business days before and after a monetary policy meeting, on which either the Fed (green) or the ECB (blue) announced a change in their target rate. To facilitate comparison, I norm the exchange rate for all episodes to unity at the day of the monetary policy announcement, thus a value of 1.02 indicates that the exchange rate was 2% above the level prevailing at the announcement date. The period runs from 16.3.2022, when the Fed published the first rate-hike through 21.9.2022, when the Fed increased the target range to 3% to 3.25%. Because both central banks explicitly use forward guidance, their moves appear to be somewhat expected. While the ECB does not seem able to move markets, the Fed announcements effectively make the dollar stronger, either at the date of the publication or even five to ten days ahead. Whether the ECB policy decision on 27.10.2022 includes some surprise element for the participants on the foreign exchange market, can be tracked in real time in Figure 2 over the next ten business days following the announcement date.

Finally, will there be consequences from the euro’s depreciation on the real economy? Probably price effects will dominate over the forecast horizon. A weaker euro implies higher import prices on intermediates, energy, consumer products, and tourism services in a period already plagued by inflationary strain. Such an environment makes it easier to pass-through higher import prices on to euro area customers. Positive wealth effects related to foreign USD-denominated portfolio investments by Europeans, however, will not compensate the price losses on international asset markets during 2022. Consequently, the potential positive effect on euro area consumption will remain limited. A cheaper euro will boost euro area exports, but at the same time weak foreign demand is likely to be the dominating force affecting international trade flows.

Author: Dr. Thomas Url

is Senior Economist at WIFO and has been working in the Research Group „Macroeconomics and European Economic Policy“ since 1994. From 1999 to 2002 he was editor-in-chief of WIFO-Monatsberichte (WIFO Monthly Reports). He is an expert in the Austrian Fiscal Council, lecturer at the University of Vienna and head of the Working Group on Economic Statistics and National Accounts of the Austrian Statistical Society. He works on issues of risk diversification, funded pensions, the European Monetary Union and econometric applications in the field of macroeconomics.